junge Welt, 7.3.2000

Tigerproblem vom Tisch

Deutsch-französischer Kampfhubschrauber für Türkei nicht mehr interessant

Die Bundesregierung hat die Entscheidung der türkischen Regierung betont gelassen aufgenommen, auf den Kampfhubschrauber Tiger voraussichtlich zu verzichten. Er habe dazu »keine Emotionen«, erklärte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye am Montag in Berlin auf Fragen nach einer Bewertung dieser Absicht in Ankara. Von Regierungsseite wurde deutlich gemacht, daß jeder frei sei, über den Ankauf von Waffensystemen zu befinden. Das Bundesverteidigungsministerium erklärte, man kenne die Entscheidung. Angesichts des Ärgers, den Rüstungsgeschäfte mit dem NATO-Partner Türkei in der rot-grünen Regierung bislang stets auslösten, werden Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joseph Fischer über die Lösung dieses Problems nicht unzufrieden sein.

Die Bundesregierung reagierte damit auf Pressemeldungen, wonach die Türkei beim Kauf neuer Kampfhubschrauber bereits eine Vorauswahl getroffen habe und nun mit drei Bewerbern aus den USA, Rußland und Italien weiter verhandelt werde. Wie Ministerpräsident Bülent Ecevit der Tageszeitung Milliyet am Montag sagte, zählt der Kampfhubschrauber Tiger des deutsch-französischen Unternehmens Eurocopter nun nicht mehr zu den engeren Kandidaten. Politische Überlegungen spielten bei der Vergabe des Auftrags keine Rolle, sagte Ecevit. »Wir haben mit all diesen Ländern gute Beziehungen.« Nach mehrstündigen Beratungen mit Generalstabschef Hüseyin Kivrikoglu und Verteidigungsminister Sabahattin Cakmakoglu hatte er in Ankara mitgeteilt, der Tiger des deutsch-französischen Eurocopter-Konsortiums und der Apache-Hubschrauber der US-Firma Boeing seien aus dem Wettbewerb gestrichen worden.

Die Regierung wollte noch am Montag bekanntgeben, wer den Zuschlag für die Lieferung von 145 Kampfhubschraubern erhält. Im Rennen um den Auftrag mit einem Volumen von vier Milliarden Dollar (rund acht Milliarden Mark) befanden sich noch die Unternehmen Bell Helicopter-Textron (USA), Agusta (Italien) und ein russisch-israelisches Joint venture. Das Hubschraubergeschäft ist Teil eines breit angelegten Modernisierungsprogramms der türkischen Streitkräfte. Dieses Programm sieht auch den Kauf von 1 000 Kampfpanzern für rund 14 Milliarden Mark vor; der deutsche Leopard II der Firma Krauss-Maffei/Wegmann ist dabei einer der Favoriten.

Die Berliner Koalition war im vergangenen Jahr wegen des Rüstungsgeschäfts mit der gegen die Kurden mit massiver Gewalt vorgehenden Türkei in eine Krise geschlittert. Die Türkei will im Sommer entscheiden, ob sie den »Leopard« kaufen will.

(ADN/AP/jW)