Die Welt, 7.3.2000 Fischers schwierige Mission im Iran Bundesaußenminister versucht die Wiederannäherung - Belgien verprellt politische Elite Von Evangelos Antonaros Athen/Teheran - Bundesaußenminister Joschka Fischer ist am Montagnachmittag zu einem zweitägigen Besuch in Iran eingetroffen. Er wird dort unter anderem mit Präsident Mohammed Chatami, Außenminister Kamal Charasi sowie Parlamentspräsident Ali Akbar Natek-Nuri zusammentreffen. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen Perspektiven für eine Verbesserung der seit Jahren belasteten deutsch-iranischen Beziehungen. Der erste Besuch eines deutschen Außenministers in Iran seit fast neun Jahren soll zugleich den Weg ebnen für die seit längerem geplante Deutschlandvisite Chatamis. Die Gespräche Fischers in Teheran finden vor dem Hintergrund neuer Spannungen zwischen dem Iran und Europa statt: Mit Empörung reagierten Regierung, Presse und Parteien in Teheran auf die Entscheidung eines belgischen Richters, ein Ermittlungensverfahren wegen Menschenrechtsverletzungen gegen den früheren iranischen Staatschef Haschemi Rafsandschani einzuleiten. Ein ranghoher Geistlicher, dessen "15.-Chordad-Stiftung" ein Kopfgeld in Höhe 5,7 Millionen Mark auf den britischen Schriftsteller Salman Rushdie ausgesetzt hat, drohte "mit nicht nur verbalen Reaktionen". Die belgischen Behörden müssten mit nicht näher definierten "praktischen Maßnahmen" rechnen, sollten sie die richterliche Entscheidung nicht rückgängig machen, sagte Ajatollah Hassan Sanei. Manche Zeitungen verlangten den sofortigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Belgien. Der Schulterschluss hinter Rafsandschani ist symptomatisch für die Empfindlichkeit, mit der das geistliche Establishment und die iranische Machtelite auf Kritik aus dem Ausland reagieren. Ausgerechnet die Staatspräsident Chatami nahestehende reformorientierte Parteienkoalition nahm Rafsandschani in Schutz, obwohl sie ihm bei der Parlamentswahl am 18. Februar eine erniedrigende Wahlniederlage bereitet hatte. "Wir verbitten uns jede Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten", hieß es aus dem Chatami-Lager. Die Haltung der Belgier sei ein deutlicher Beweis für die feindliche Stimmung gegenüber einem islamisch-demokratischen System. Andere Kreise vermuteten hinter dem belgischen Vorgehen eine von den USA und Israel eingefädelte Verschwörung, deren Ziel darin bestehe, Irans Ausbruch aus der Isolation zu bremsen. Die 86 Personen zählende Expertenversammlung verteidigte den "verdienten Revolutionär" Rafsandschani und sprach von einer "unweisen und provokativen Entscheidung" in Belgien. Westliche Diplomaten in Teheran vermuten, dass die Ermittlungen in Belgien den in letzter Zeit politisch diskreditierten Hardlinern die Chance geben, wieder in den Vordergrund zu treten und die Regierung unter Druck zu setzen, eine kritischere Haltung gegenüber dem Westen einzunehmen. Zur Schadensbegrenzung musste sich Italiens Außenminister Lamberto Dini zum Abschluss seiner "exzellenten Gespräche" in Tehreran mit der Feststellung zu Wort melden, die Belgien-Affäre sei "keineswegs repräsentativ" für die Einstellung der Europäer gegenüber dem Iran. Auch Fischer wird zweifellos Position beziehen müssen. Ebenfalls wird er mit Sicherheit mit der Frage konfrontiert werden, wie er in der iranischen Presse immer wieder zitierte Äußerungen von Verteidigungsminister Rudolf Scharping bewerte, Irans Raketenprogramm stelle eine Gefahr für Deutschlands Interessen dar. In einem Gespräch mit der reformorientierten Tageszeitung "Sobhe Emrus" versuchte Deutschlands Botschafter in Teheran, Klaus Zeller, mit sehr sorgfältig gewählten Worten die iranischen Erwartungen vorab zu dämpfen. Bei den Gesprächen fischers gehe es um einen "Ausbau der bilateralen Beziehungen mit Ausblick in die Zukunft". Er wies darauf hin, dass die iranische Führung die Rahmenbedingungen "entsprechend gestalten" müsse, um Investoren in das Land zu locken.
|