Tagesspiegel, 7.3.2000 (Kommentar) Einwanderungsgesetz Die Aufnahme neuer Eliten erfordert eine Anpassung des Rechts - und der Weltbilder Ulrike Fokken Inder sind die Informationstechniker der Zukunft, Koreaner die besseren Biotechniker, Russen die raffinierteren Internet-Tüftler. Die Deutschen, die sich gerne als eine besonders begnadete Nation ansehen, mussten in den vergangenen zwei Wochen eine bittere Erkenntnis schlucken: Dunkelhäutige Menschen aus dem Osten bieten dringend nachgefragte Leistungen an, die viele weiße Wohlstandsbürger nicht beherrschen. Aus Staaten, die bislang allenfalls als aufstrebende Märkte (emerging markets), mehr jedoch noch als Entwicklungsländer wahrgenommen wurden, sollen nun die Garanten für den deutschen Wohlstand kommen. Zunächst dürfen 30 000 Infotechnik-Spezialisten die deutsche Industrie unterstützen, doch wird es bei ihnen kaum bleiben. Denn Unternehmen fast jeder Branche suchen gut ausgebildete, flexible, intelligente und englisch-sprechende Mitarbeiter. Das bringt die Weltbilder aller politischen Schattierungen durcheinander. Der durchschnittliche Konservative, bisher eher skeptisch eingestellt gegenüber fremdrassigen Zuwanderern, möchte selbstverständlich, dass es der Wirtschaft gut geht. Sozialdemokraten wünschen sich das ebenfalls, tragen sich aber zugleich mit Bedenken wegen der Auswirkungen auf das Tarifsystem. Dass ausgerechnet Nicht-Deutsche mit ihrer Intelligenz und ihrem Know-How die Wettbewerbsfähigkeit sichern, dürfte auch viele linke Gutmenschen irritieren. Sie müssen ihr Bild vom nichtdeutschen Mitbürger ebenfalls verändern. Denn diese Fachleute der Zukunftstechnologie sind weder arm, noch ausgebeutet oder verfolgt. Sie gehören auch nicht in die Kategorie des guten Wilden, der vor seiner Versetzung in die westliche Dekadenz in einer in natürlicher Harmonie lebenden Gemeinschaft weilte. Nein, es kommen die auf Eliteschulen ausgebildeten Sprösslinge des Bürgertums. Sie sind professionell, städtisch, kosmopolitisch und ambitioniert. Kurzum: Yuppies. Wer sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, wird nicht umhin kommen, festzustellen: Deutschland braucht diese Yuppies. Für die Wirtschaft, für die Rente, die Pflegeversicherung und für manch anderes, das diese Gesellschaft aus demografischen Gründen nicht mehr schafft. Spannend ist also, wie die Parteien und ihre Politiker mit dem Thema Zuwanderung umgehen. Innenminister Otto Schily (SPD) darf sich freuen, endlich ein probates Mittel zur Begrenzung des Zuzugs gefunden zu haben. Denn mit einem kommenden Einwanderungsgesetz - oder wie auch immer es genannt wird - kann Schily sowohl auswählen als auch beschränken. Schon regt er an, Aussiedler und Flüchtlinge mit der Zahl der Einwanderer zu verrechnen. Inhaltlich eine abwegige Überlegung, da sie das eigentliche Problem ausklammert, aber sie zeigt die Intention des Ministers. Konservative anderer Parteien könnten sich mit dieser Version anfreunden, denn auf eine ausgeklügelte Art ließe sich damit der Zuzug formal begrenzen. Moderne Arbeitsnomaden, die illegal ins Land kommen, würden sie damit zwar auch nicht aufhalten, aber die Statistik sähe besser aus. Die absehbaren Rechtsänderungen werden sich nicht auf die Bereiche Ausländer- und Arbeitsgesetzgebung beschränken. Die ausländerfreundliche Linke wird sie sich gut ansehen müssen, um nicht am Ende ohne ein nennenswertes Asylrecht dazustehen. Sie muss aber auch ihre eigene Ausländerpolitik überarbeiten. Ihre Klientel wird eine Elite-Einwanderung nach klaren Kosten-Nutzen-Rechnungen als zynisch, mindestens als neoliberal zurückweisen. Zu Unrecht. Denn diese Denkweise negiert die Fähigkeiten der Nicht-Deutschen und spricht ihnen das Recht auf ein urban-bürgerliches Leben mit hohem Einkommen ab. Auch das ist eine Form von Rassismus.
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