Süddeutsche Zeitung, 8.3.2000 Bundesaußenminister beendet zweitägige Visite Deutschland und Iran wollen Verhältnis verbessern Fischer: Gespräche in Teheran waren offen und nicht rückwärtsgewandt / Besuch Chatamis in Berlin für Juni erwartet / Von Katajun Amirpur Teheran - Bundesaußenminister Joschka Fischer hat am Dienstag eine positive Bilanz seines Besuchs in Iran gezogen. Zum Abschluss seiner Visite nannte Fischer die Gespräche mit Staatspräsident Mohammed Chatami und Außenminister Kamal Charrasi offen und "nicht rückwärtsgewandt". Auch die Situation der Menschenrechte sei intensiv diskutiert worden. Vor iranischen Journalisten sagte der Außenminister: "Im vergangenen Jahr gab es einige Schwierigkeiten in unserem traditionell guten Verhältnis. Ich bin aber hoffnungsvoll, dass wir nun das Verhältnis verbessern können." Es war der erste Iran-Besuch eines deutschen Außenministers seit neun Jahren. Fischer wiederholte die Einladung von Bundeskanzler Gerhard Schröder an den iranischen Präsidenten, die Bundesrepublik zu besuchen. Der Besuch Chatamis wird für Juni erwartet. Auch Chatami äußerte die Hoffnung auf eine Verbesserung des deutsch-iranischen Verhältnisses, das durch die Mykonos-Affäre und die Festnahme des deutschen Geschäftsmanns Helmut Hofer in Iran schwer belastet worden war. Kriegsversehrte demonstrieren Die Probleme im deutsch-iranischen Verhältnis waren auch Thema einer Pressekonferenz mit iranischen und ausländischen Journalisten. Fischer wurde nach der Mykonos-Affäre gefragt, in deren Folge ein deutsches Gericht namhafte iranische Politiker des Staatsterrorismus für schuldig befunden hatte. Fischer wiederholte die deutsche Position, dass die Justiz seines Landes vollkommen unabhängig agiere. Auch die Anklage Ali Akbar Rafsandschanis durch ein belgisches Gericht wurde von iranischen Presseleuten angesprochen. Ein Exiliraner will den ehemaligen Staatspräsidenten als Kriegsverbrecher verklagen. Zwar hat das angerufene belgische Gericht noch nicht entschieden, ob der Fall verhandelt wird. Doch schon jetzt werden auf iranischer Seite Vorwürfe laut, Belgien und Europa insgesamt mischten sich in die inneren Angelegenheiten Irans ein. Sogar die reformorientierte Presse und die moderaten Politiker des Landes kritisieren das belgische Verhalten. Fischer wollte die Angelegenheit nicht kommentieren. Der Bundesaußenminister würdigte auch den Reformprozess in Iran. Die hohe Wahlbeteiligung bei der Parlamentswahl am 18. Februar habe ihn sehr beeindruckt, sagte er. Aus den Wahlen waren die Reformer siegreich hervorgegangen. Der iranischen Öffentlichkeit versicherte Fischer, dass die deutsche Bevölkerung die Demokratiebestrebungen der Iraner mit großem Interesse verfolge. Fischers Amtskollege Charrasi betonte, man sei an einer tiefer gehenden Zusammenarbeit im Umweltbereich interessiert. Außerdem hoffe man auf deutsche Unterstützung bei der Bekämpfung des Drogenschmuggels. Während sich Fischer zu einem Hintergrundgespräch mit Journalisten in der deutschen Botschaft aufhielt, fand vor dem Gebäude eine Demonstration von Kriegsversehrten statt. Die etwa 400 Demonstranten kritisierten die Chemiewaffenverkäufe deutscher Firmen an den Irak. Der Irak hatte während des acht Jahre dauernden Krieges mit Iran Giftgas gegen iranische Soldaten, aber auch gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Vor der iranischen Presse verurteilte Fischer die Chemiewaffenverkäufe als ungesetzlich. Nach Angaben des iranischen Fernsehens hat Fischer in der Botschaft einen Abgesandten der Giftgasopfer empfangen und einen Brief der Betroffenen entgegengenommen.
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