ap 08.03.2000 07:21 Konflikt mit Belgien trübt Frühlingserwachen zwischen Iran und EU Wiederanknüpfung des kritischen Dialogs könnte in Kooperationsabkommen
münden - Dini und Fischer starteten Reisediplomatie in Teheran
Brüssel (AP) Gesprächswillig sind die Europäer schon lange. Seit dem Wahlsieg der Reformer bei der Parlamentswahl in Iran und der Freilassung des deutschen Geschäftsmanns Helmut Hofer in den ersten zwei Monaten des Jahres scheinen die Weichen für die Wiederanknüpfung des «kritischen Dialogs» zwischen Brüssel und Teheran endlich gestellt. Da droht ein neuer diplomatischer Konflikt die gute Stimmung zu verderben. In Belgien reichte ein Bürger iranischer Herkunft Klage gegen den früheren Präsidenten Haschemi Rafsandschani wegen Menschenrechtsverletzungen ein. Trotz Beteuerungen der belgischen Regierung, dass sie die freundschaftlichen Beziehungen zu Iran nicht aufs Spiel setzen wolle, kühlte das Klima zwischen beiden Staaten ab. Der kritische Dialog zwischen der EU und Iran war im April 1979 wegen des Mykonos-Prozesses eingestellt worden. Ein Berliner Gericht hatte die iranische Staatsführung bezichtigt, Drahtzieher eines Mordanschlags auf iranische Kurden im Lokal «Mykonos» gewesen zu sein. Die EU zog ihre Botschafter für ein halbes Jahr aus Teheran ab, Ministertreffen wurden ausgesetzt und verschiedene Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. Erst unter britischer EU-Präsidentschaft verbesserte sich die Atmosphäre, ohne dass davon viel Aufhebens gemacht wurde. Auch die Briten haben in Gestalt des Schriftstellers Salman Rushdie ihr Problem mit Teheran. Iran hat die unter Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini Ende der 80er Jahre verhängte Todesdrohung gegen Rushdie nie förmlich aufgehoben, dem es Gotteslästerung in seinem Roman «Die satanischen Verse» vorwirft. Umso dankbarer nahm die EU es auf, als der iranische Außenminister Kamal Charazi bei der UN-Vollversammlung im September 1998 ankündigte, dass sein Land nicht die Absicht habe, das Leben von Rushdie zu bedrohen. Die EU-Außenminister werteten die Ankündigung sogleich als einen «Schritt in die richtige Richtung». Sie «entferne ein Hindernis auf dem Weg zu besseren Beziehungen». Ebenso sehr beeilten sich die EU-Außenminister im Februar, das Ergebnis der Parlamentswahl in Iran positiv zu kommentieren. «Die Europäische Union erinnert an ihr lange gehegtes Interesse, den umfassenden Dialog mit Iran zu konsolidieren und auszuweiten und wiederholt ihre Bereitschaft zu engere Beziehungen ...» Für die Bundesregierung war die Freilassung des Geschäftsmannes Hofer, der 22 Monate wegen unerlaubter sexueller Beziehungen zu einer Moslemin und anderer Vorwürfe hinter Gittern saß, das Startsignal für die Wiederanknüpfung des Dialogs. Bundesaußenminister Joschka Fischer ließ nicht viel Zeit verstreichen, bevor er seine Reise nach Iran antrat, auf die ein Gegenbesuch des iranischen Präsidenten Mohammed Chatami möglichst noch im Frühsommer folgen soll. Fischer ist nicht der einzige, der in den Startlöchern saß. Unmittelbar vor ihm machte der italienische Außenminister Lamberto Dini Chatami seine Aufwartung, nach ihm reist sein britischer Kollege Robin Cook nach Teheran. Die ministeriellen Kontakte und der von iranischer Seite geäußerte Wunsch nach Wiederbelebung der Zusammenarbeit könnten in nicht allzu ferner Zukunft in ein Kooperationsabkommen mit der EU münden. Von europäischer Seite hegt besonders die Wirtschaft - nicht zuletzt die Ölindustrie - ein Interesse nach einem Ende der Eiszeit. Die Bundesregierung stellt bedauernd fest, dass die Wirtschaftsbeziehungen in den 90er Jahren stark zurückgegangen seien. So schrumpften die deutschen Exporte nach Iran von acht Milliarden Mark 1992 auf 2,4 Milliarden Mark 1998. Auch 1999 setzte sich der Abwärtstrend um elf Prozent fort. Regierung in Brüssel verweist auf Gewaltenteilung Während also einige EU-Staaten auf Tauwetter setzen, bahnt sich ein Konflikt des Mitgliedslandes Belgien mit Iran an. Der belgische Botschafter wurde am Dienstag ins Teheraner Außenministerium einbestellt, um Stellung zu der eingereichten Klage des iranischstämmigen Bürgers zu nehmen. Die Position Belgiens hatte Außenminister Louis Michel zuvor unmissverständlich klargestellt. Zwar lege sein Land keinen Wert auf eine Verschlechterung der Beziehungen, doch in Angelegenheiten der Justiz könne sich die Regierung nicht einmischen, sagte er unter Verweis auf die Gewaltenteilung. Die belgische Staatsanwaltschaft beruft sich darauf, dass es jedem Bürger erlaubt sei, vor jedem Zivilgericht in jedem beliebigen Land Klage wegen Menschenrechtsverletzungen einzureichen. Ermittlungsrichter Damien Vandermeersch prüft nun seine Zuständigkeit für Folter, Freiheitsberaubung, psychische und physische Gewaltanwendung zwischen 1983 und 1989 in drei iranischen Städten. In Teheran wird der Fall auch von gemäßigten Zeitungen nicht als Kleinigkeit wahrgenommen. Die Regierung indes spielt den diplomatischen Konflikt noch herunter. Noch habe das Verfahren nicht förmlich begonnen, und überhaupt sei die belgische Justiz keinesfalls zuständig, hieß es im Außenministerium.
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