Frankfurter Rundschau, 9.3.2000 "Hürriyet" hat Mitarbeitern zu unrecht gekündigt Gericht gibt Klage statt / Europa-Ausgabe angeblich nicht mehr in Deutschland produziert Von Canan Topçu Hürriyet-Leser haben wohl kaum bemerkt, dass sich bei ihrer Zeitung etwas geändert hat. Nach wie vor berichtet das Blatt über politische Ereignisse in der Türkei, erscheinen täglich Nachrichten aus Europa, über die türkische Gemeinschaft in Deutschland. Aber zu Beginn des Jahres haben sich bei Hürriyet die Besitzstrukturen geändert: Verlegt wird die Europa-Ausgabe des Blattes jetzt von der Dogan Media International GmbH. Das Unternehmen gehört zur Dogan Media Grubu (DMG), einer der größten Medienkonzerne der Türkei, der acht Tageszeitungen, zahlreichen Zeitschrifen, TV- und Radiosender und die Nachrichtenagentur DHA besitzt. Der Lizenzvertrag des bisherigen Verlegers der Europa-Ausgabe war Ende 1999 ausgelaufen. Seit Januar erscheint er im Impressum nur noch als Eigentümer der Druckerei, die die Deutschland-Ausgabe in Neu Isenburg druckt. Leidtragende der Umstrukturierung sind vor allem Redakteure und andere Mitarbeiter, denen der Verlag wegen "Geschäftsaufgabe" zum Jahreswechsel gekündigt hatte. Gestern gab das Offenbacher Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage von drei Mitarbeitern statt, sechs weitere Verfahren stehen an. Begründung der Richter: Die Hürriyet International Verlagsgesellschaft als Beklagte habe nicht ausreichend belegt, dass tatsächlich ein Betriebsteil stillgelegt worden sei. Nur das hätte die Kündigung gerechtfertigt. Wenn der Betrieb dagegen lediglich auf die Dogan Media International GmBH übergegangen ist, müsste sie die Mitarbeiter übernehmen. Knapp 20 der ehemals 36 Angestellten haben inzwischen Verträge mit dem neuen Verlag abgeschlossen - zu weit schlechteren Konditionen, wie Insider berichten. "Es gibt keinen Betriebsrat mehr, dafür aber geringere Gehälter und sechs Arbeitstage", erzählt ein früherer Hürriyet-Redakteur. Der Dogan-Konzern behauptet dagegen, er beschäftige in Deutschland gar keine Redakteure. Schriftlich teilt das Unternehmen mit, alle Seiten von Hürriyet würden in Istanbul erstellt und anschließend druckfertig für die Ausgaben in Deutschland und Belgien übermittelt. Berichte beziehe die Redaktion von der Nachrichtenagentur DHA, die Büros in Deutschland hat und einen Teil der früheren Hürriyet-Angestellten beschäftigt. Auf die Qualität der Berichterstattung hat sich die angebliche Betriebsstillegung bislang nicht ausgewirkt - man kann dem nationalistisch orientierten Blatt noch immer mangelnde journalistischer Sorgfalt vorwerfen. Auch der umstrittene Kolumnist Ertug Karakullukçu ist dem Blatt erhalten geblieben. Deutsche Beobachter kritisieren seine Artikel als hetzerisch. Für das Bundespresseamt war das mit ein Grund, beim Zentrum für Türkeistudium in Essen einen wöchentlichen Pressespiegel in Auftrag zu geben.
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