taz, 10.3.2000 Missbrauch mit angeblichem Asylmissbrauch In Bremen machen sich Zweifel breit an den von CDU-Innensenator Schulte medienwirksam publik gemachten "500 Fällen von Asylmissbrauch" BREMEN taz Die Stimmung in Bremen ist angespannt, seit die Innenbehörde "500 spektakuläre Ermittlungserfolge" verkündete. Dabei sollen sich türkische Kurden als Libanesen ausgegeben haben, um so ihrer Abschiebung auch nach einer Asylablehnung zu entgehen (die taz berichtete). Schultes Problem: Die Zweifel der Kritiker sind begründet. Seine Behörde hat ihre Angaben inzwischen nach unten korrigiert - auf 181 "zweifelsfreie Fälle". Auch der Vorwurf vom "organisierten Asylmissbrauch" wurde abgeschwächt. Die Verdächtigen seien "in Familien organisiert", heißt es nun. Viele davon noch in Windeln. Unter den 500 Beschuldigten sind rund 70 Prozent Minderjährige, viele davon in Deutschland geboren. Die von Schulte verkündeten "spektakulären" Ermittlungserfolge seien "alt", heißt es bei der Justiz lakonisch. Dort hält man auch den allgemeinen Betrugsvorwurf für juristisch umstritten: Bei strafrechtlicher Verurteilung wegen Betrugs muss der Vorsatz belegt sein. Was den von der Innenbehörde medienwirksam errechneten "Schaden in Millionenhöhe" betreffe, äußern unterdessen auch Sozialexperten Zweifel. In allen Fällen geht es um kurdische Familien aus der anatolischen Region um Mardin. In dem Grenzgebiet zu Syrien leben nach Angaben des Hamburger Orient-Instituts 500.000 arabischsprachige Kurden, von denen viele in den letzten Jahrzehnten nach Libanon ausgewandert sind - wo sie aus innenpolitischen Gründen aber kaum Staatsbürger werden konnten, also staatenlos sind. Anwälte berichten von Verfahren, in denen nachträglich belegt wurde, dass staatenlose Libanesen als türkische Kurden abgeschoben wurden, so Anwalt Karim Popal. Ihm gelang es vor Jahren, den Verdacht einer türkischen Staatsangehörigkeit für staatenlose libanesische Mandanten zu widerlegen, obwohl deren Verwandte aus Nordrhein-Westfalen als Türken abgeschoben worden waren. EVA ROHDE
|