junge Welt, 11.3.2000

Abschiebung in den Tod

Aus dem Wanderkirchenasyl ausgelieferter Kurde in der Türkei mehrmals festgenommen und mißhandelt

Immer wieder warnen Flüchtlingshilfeorganisationen vor den Gefahren, die Teilnehmern des Wanderkirchenasyls bei einer Abschiebung in die Türkei drohen. Ein weiteres Beispiel dafür wurde dieser Tage aus Bielefeld bekannt. Von Düsseldorf aus wurde der kurdischer Flüchtling Yusuf Demir am 11. Januar aus dem Wanderkirchenasyl nach Istanbul abgeschoben. Erst wenige Tage zuvor war er bei einer Ausweiskontrolle außerhalb der schutzgewährenden Kirchengemeinde festgenommen worden. Polizeibeamte brachten ihn umgehend in die Abschiebehaftanstalt nach Büren. Alle Versuche, die Abschiebung zu verhindern, blieben erfolglos. Ein Eilantrag gegen die Abschiebung, der die Gefährdung Demirs deutlich machte, wurde abgelehnt, auch Initiativen auf politischer Ebene brachten keine Lösung.

Yusuf Demir wurde unmittelbar nach der Ankunft in Istanbul durch die Flughafenpolizei verhaftet und an die örtliche Behörde überstellt. Dort wurde er beschimpft und geschlagen. Auf vorgelegten Fotos aus dem Wanderkirchenasyl in der Bundesrepublik sollte er Personen erkennen und Namen nennen. Nach zwei Tagen wurde er mit der Auflage freigelassen, sich wegen seines noch abzuleistenden Wehrdienstes in der Kaserne in Mardin zu melden. Dieser Auflage kam er nicht nach.

Mitte Februar erreichte Flüchtlinge und Unterstützer im Bielefelder Wanderkirchenasyl die inzwischen bestätigte Nachricht, daß Yusuf Demir erneut von der Polizei in Izmir für zwei Tage festgenommen worden war. Er wurde wiederum verhört und unter Vorlage von Fotos zum Wanderkirchenasyl befragt. Die Polizei bezeichnet das Wanderkirchenasyl dabei als Aktion der PKK und sprach Drohungen aus. Nach seiner Freilassung kam es auf offener Straße zu einem Angriff von Polizisten. Demir verlor bei der Schlägerei zwei Zähne und mußte sich in ärztliche Behandlung begeben.

Demir will auf keinen Fall zum Militär, da er nicht als Soldat gegen Kurden kämpfen will. Er befürchtet deshalb weitere Mißhandlungen, Beschimpfungen und Folter beim Militär. Diese Ängste sind begründet, wie aktuelle Berichte über Folter und Tod aus Deutschland abgeschobener Kurden beim türkischen Militär belegen. So kam am 12. Februar erneut ein abgelehnter kurdischer Asylbewerber, Fuat Orak, zu Tode. Nach seiner Abschiebung aus der Bundesrepublik wurde er zwangsweise zum Militär rekrutiert. Dort wurde er beständig schikaniert, beschimpft und mit dem Tode bedroht, nach zweimaliger Desertion erschoß sich Fuat Orak vor dem erneuten Zugriff des Militärs.

Das Wanderkirchenasyl ist eine Aktion von 450 kurdischen Flüchtlingen, die in über 100 evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Nordrhein-Westfalen Zuflucht vor ihrer Abschiebung in die Türkei gesucht haben. Die Protestaktion dauert nun schon zwei Jahre an und wird von den zufluchtgewährenden Gemeinden und der Kampagne »Kein Mensch ist illegal« unterstützt. Die Flüchtlinge aus dem Wanderkirchenasyl sind immer wieder mit der Forderung nach Abschiebestopp öffentlich aufgetreten und haben die menschenrechtsverletzende Politik des türkischen Staates öffentlich kritisiert und eine politische Lösung für Kurdistan gefordert.

(jW)