Berliner Morgenpost, 13.3.2000 Franzosen rügen deutsche Rüstungspolitik Drohung mit wirtschaftlichen Konsequenzen nach gescheitertem Hubschrauber-Geschäft Von Frank E. Lippold Berlin/Paris - Die Türken haben eine Importentscheidung getroffen. Die Franzosen, darüber verärgert, drohen den Deutschen. Die wiederum müssen den Verlust Hunderter Arbeitsplätze befürchten. Eine politische Kettenreaktion, ausgelöst durch die Rüstungspolitik der rot-grünen Koalition in Berlin. Sie ist einerseits restriktiv, andererseits unzuverlässig - also «schizophren», sagt Paul Breuer, der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion. Das türkische Heer will laut Welt am Sonntag 145 Hubschrauber des amerikanischen Typs Bell Supercobra beschaffen. Diese Entscheidung wird in Ankara mit dessen Vorzügen gegenüber dem deutsch-französischen Mitbewerber Eurocopter Tiger und dem zweiten US-Angebot, dem Longbow Apache, begründet. Ein fadenscheiniges Argument, sind doch die technischen Parameter von Tiger und Supercobra - bis hin zu Höchstgeschwindigkeit von 315 km/h und lasergesteuerten Waffen - nahezu kongruent. Mithin stecken hinter der türkischen Wahl politische Gründe, mutmaßt Jean-Francois Bigay - insbesondere die hitzige Debatte der Deutschen über den nun gescheiterten Milliardenauftrag. Bigay ist der zuständige Direktor des französischen Unternehmens Aérospatiale Matra. Das baut gemeinsam mit der DaimlerChrysler Aerospace (Dasa) in München den Tiger. Tatsächlich scheinen von der Türkei technische Details hochgespielt zu werden, um eine andere, für sie wichtigere politische Entscheidung der Deutschen nicht zu gefährden: über die heftig umstrittene Lieferung von 1000 Kampfpanzern Leopard 2. Daran wären die Franzosen nicht beteiligt. Um so empörter sind sie deshalb über den entgangenen Hubschrauber-Auftrag. Philippe Camus, der Chef von Aérospatiale Matra, nimmt kein Blatt vor den Mund: Das gescheiterte Türkei-Geschäft zeige, dass die Regierungen ihre Exportpolitik in Ordnung bringen müssten. «Wenn die Deutschen sich nicht bewegen, werden wir die entsprechenden industriellen Aktivitäten nach Frankreich verlagern.» Damit schließt sich Camus der Kritik an, die kürzlich vom designierten Dasa-Chef Rainer Hertrich gegenüber der Bundesregierung geübt worden war. Die Worte der beiden Top-Manager sind von besonderem Gewicht, weil sie künftig gemeinsam an der Spitze der EADS, Europas neuem Luft- und Raumfahrtgiganten, stehen. Sollte Camus' Drohung Realität werden, verliert die deutsche Rüstungsindustrie weitere Arbeitsplätze. Die sind seit 1990 von 280 000 auf inzwischen 100 000 zurück gegangen. Und wenn diese Branche hierzulande keine Zukunft mehr habe, «wandern auch allgemein wichtige Technologien ab», warnt Ernst Otto Krämer, Chef der Vereinigung Wehrtechnisches Gerät. Zur effektiven Wahrung deutscher Sicherheits- und Industrieinteressen fordert Oppositionspolitiker Breuer deshalb von der Koalition eine «langfristige, mit den Partnern abgestimmte Konzeption zur Rüstungspolitik» - Exporte eingeschlossen. Nationale Alleingänge dürfe es nicht mehr geben.
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