Der Tagesspiegel 15. März 2000

Selbstverbrennung vor dem Reichstag

Gedenkfeier für kurdischen Selbstmörder

esch

Über die Motive des kurdischen Selbstmörders, der sich am 8. März auf den Stufen des Reichstags-Gebäudes mit Benzin übergossen und verbrannt hat, gibt es die ersten Vermutungen. Die Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (Yek-Kom) erklärte gestern, der Mann, der Hamza Polat hieß, habe zu den Kurden gehört, die 1994 die Autobahn bei Augsburg blockiert hatten, und zwar aus Protest gegen ein damals von den Behörden ausgesprochenes Verbot einer Feier zum kurdischen Neujahrsfest Newroz. Seitdem sei er sowohl vom türkischen wie auch vom deutschen Geheimdienst bedrängt worden, Landsleute auszuhorchen, so Yek-Kom. Die Mutter des Toten habe versucht, deshalb den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzuschalten, jedoch vergebens. Der kurdische Verband vermutet, dass Hamza Polat mit der Wahl des Ortes seiner Selbstverbrennung, des Reichstags, die deutschen Politiker habe anklagen wollen, die Anwerbepraktiken durch Gesetze deckten. Yek-Kom veranstaltet heute um 14 Uhr eine Gedenkfeier vor dem Reichstag für den Toten, mit Blumen, Kerzen und Ansprachen.