HANDELSBLATT, 16.3.2000

Am Asylrecht soll nicht gerüttelt werden

Koalition lehnt Forderungen nach Abschaffung des Aylrechts ab

dpa BERLIN. Forderungen aus der Union zur gesetzlichen Begrenzung der Einwanderung von Ausländern und Abschaffung des individuellen Asylrechts sind im Regierungslager auf scharfe Ablehnung gestoßen. Dabei wurde klargestellt, dass die rot-grüne Koalition am Asylrechtsartikel im Grundgesetz nicht rütteln lassen wird.

Es werde im Zusammenhang mit der geplanten Anwerbung ausländischer Computerexperten "auf gar keinen Fall" eine Änderung des Asylrechts geben, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Dieter Wiefelspütz am Mittwoch der dpa. Damit würden Dinge zusammen gepackt, "die nicht zusammengehören". Es sei jetzt auch nicht die Zeit, über ein Einwanderungsgesetz zu reden. Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) sagte im DeutschlandRadio Berlin, die Regierung werde sich nicht auf eine solche Debatte einlassen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, sieht zwar Veränderungsbedarf am Ausländerrecht, lehnte aber die "populistischen Schnellschüsse" der Union ab.

In der Debatte um die Anwerbung ausländischer Computer-Experten hatten sich Unionsfraktionschef Friedrich Merz und CSU- Landesgruppenchef Michael Glos dafür ausgesprochen, im Zuge einer gesetzlichen Regelung der Zuwanderung das Asylrecht abzuschaffen. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel sagte am Mittwoch der dpa, angesichts von vier Mill. Arbeitslosen und einer jährlichen Zuwanderung von 700 000 Ausländern müsse die Begrenzung im Mittelpunkt stehen. Dabei dürfe auch das in der Verfassung verankerte Grundrecht auf Asyl keine "heilige Kuh" sein.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, warf der Union vor, sie versuche mit Angriffen auf das Asylrecht ihre Konzeptionslosigkeit zu übertünchen. Damit verlasse die Union den Boden europäischer Gemeinsamkeiten. "Mit dieser Forderung gerät man leicht in österreichische Fahrwasser", meinte Beck. Der Grünen- Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer warnte davor, die Diskussion um ein Einwanderungsgesetz als Hintertür zu benutzen, "um das Grundrecht auf Asyl völlig kaputt zu schlagen".

Nach Ansicht des FDP-Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt muss die von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) initiierte Anwerbeaktion für ausländische Computerspezialisten durch ein Einwanderungs- Kontrollgesetz ergänzt werden, in dem Quoten festgelegt werden. Das Recht auf Asyl müsse von einem Zuwanderungsgesetz nicht betroffen sein.

Bei den Gewerkschaften gab es weiterhin Bedenken gegen Schröders so genannte Green-Card-Aktion für ausländische Computerexperten. Der ÖTV-Vorsitzende Herbert Mai sagte der "Leipziger Volkszeitung", er fürchte, dass sich Unternehmen aus der Ausbildungsverantwortung stehlen wollen, indem sie die Initiative lauthals begrüßen. Bei den Arbeitsämtern seien mehr als 30 000 EDV-Fachleute und über 50 000 arbeitslose Ingenieure gemeldet. Das Bundesamt für Arbeit will die Unterlagen für ausländische Computer-Spitzenkräfte zügig bearbeiten, sagte Präsident Bernhard Jagoda. Von der Initiative des Kanzlers erhofft sich Jagoda auch Impulse für den eigenen Arbeitsmarkt.

Nach Ansicht des Deutschen Gastgewerbes wäre auch in dieser Branche eine Green Card für ausländische Experten von großem Nutzen. Der Fachkräftemangel bleibe die größte Wachstumsbremse. Doch des Kanzlers Augenmerk gelte nur der schönen neuen High-Tech-Welt, hieß es.