Frankfurter Rundschau, 16.3.2000 Berlin soll die Atom-Bürgschaften wieder kippen Umwelt- und Entwicklungsverbände empört / Nur politische Absichtserklärung zu den 14 gestrichenen Projekten Von Joachim Wille FRANKFURT A. M., 15. März. Umwelt- und Entwicklungsverbände haben von der Bundesregierung eine Rücknahme der zugesagten drei Hermes-Atombürgschaften gefordert. Definitive Entscheidungen über die 14 anderen umstrittenen AKW- und Staudammprojekte sind in der Regierung indes noch nicht gefallen; es gibt nur eine "politische Absichtserklärung", sie nicht mit Bundes-Geld abzusichern. Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, die Berliner Zusage stehe in krassem Widerspruch zur Entscheidung von Rot-Grün, aus der Nuklearnergie auszusteigen. "Wer im eigenen Land AKW abschalten will und zugleich im Ausland neue Reaktoren unterstützt, ist ein Falschspieler und nährt den Irrglauben an die Atomkraft", sagte Energieexperte Veith Bürger. Der Atom-Fachmann des Umweltverbandes BUND, Walter Jungbauer, zeiget sich "entsetzt" über die Entscheidung. Die Regierung hatte die Hermes-Absicherung für Atomkraftwerke in China, Litauen und Argentinien in Höhe von 340 Millionen Mark beschlossen. Die Anti-Atom-Ärzte (IPPNW) verwiesen auf die Sicherheitsprobleme bei dem chinesischen AKW-Projekt. Die Reaktoren vom russischen Typ WWER-1000, für die Siemens Elektro- und Leittechnik liefert, hätten für die hohe Leistung einen zu kleinen Druckkessel; es könne zu gefährlichen Temperaturverteilungen und Schwingungen kommen. Auch die Atomenergiebehörde IAEO, russische Konstrukteure und West-Firmen seien sich "einig, das der Reaktorkern des Typs völlig neu konstruiert werden müsste". Das zweite Projekt in Argentinien dient laut IPPNW der Nachrüstung eines "Schrottmeilers". Der Reaktor Atucha-1 sei nach Pannen bereits unzählige Male repariert worden. Im Fall drei, bei dem es um eine Zementieranlage für das litauische AKW Ignalina geht, hätte Berlin als "Voraussetzung eine Klausel für die Stillegung des Kraftwerks" einbauen müssen. Die Entwicklungsorganisation WEED zog die Aussage der Regierung, die weiteren Bürgschaften in Milliardenhöhe seien gestrichen, Zweifel. So stünden die AKW K2R4 in der Ukraine und Akkuyu in der Türkei auf der Streichliste, für die noch gar keine Anträge vorlägen. Auch habe Rot-Grün die Absicherung für die Staudämme Mashewar in Indien und Illisu in der Türkei noch nicht endgültig gestoppt. |