Salzburger Nachrichten (A), 16.3.2000 Beste Zeiten für Saddam USA halten an Sanktionen fest - Geschäftsleute stürmen Bagdad BIRGIT CERHA NIKOSIA (SN). Hans Blix, der 71-jährige Schwede, bastelt an seinem "Organisationsplan". Binnen 45 Tagen will der Chef der "Internationalen Atomenergiebehörde" seine Ideen über ein neues Rüstungskontrollprogramm für den Irak dem Weltsicherheitsrat präsentieren. Ob er und sein 17-köpfiges internationales Expertenteam demnächst für die nach dem Scheitern ihrer Vorgängerin UNSCOM neu gegründete Abrüstungskommission UNMO-VIC den Irak bereisten können, erscheint höchst fraglich. Sicher ist vorerst der entschlossene Widerstand des irakischen Diktators Saddam Hussein gegen diesen erneuten Versuch der UNO, nach eineinhalbjähriger Unterbrechung seine Bestrebungen zum Aufbau eines neuen Arsenals von Massenvernichtungswaffen zu vereiteln. Blix gibt sich zuversichtlich, irgendwann werde der Irak die Inspektoren doch ins Land lassen, denn UNMOVIC könne den Weg zu einem Ende der fast zehnjährigen Sanktionen ebnen. Erst wenn die UNO überzeugt ist, dass Bagdad keine chemischen, biologischen und nuklearen Waffen mehr besitzt bzw. produziert, kann sie laut Waffenstillstandsresolution von 1991 die Sanktionen aufheben. Unterdessen sieht der irakische "Überlebenskünstler" wohl immer weniger Grund, sich neuen Zwängen der UNO zu unterwerfen. Das Embargo hat sein Regime gestärkt. Saddam sitzt heute fester im Sattel als in den vergangenen zehn Jahren. Und tief befriedigt nimmt man am Tigris die wachsende Rebellion in der internationalen Gemeinschaft gegen die schärfsten Sanktionen zur Kenntnis, die die Welt je verhängt hat. Das irakische Volk versinkt im Elend Im Februar konnte Hans von Sponeck, Koordinator für die humanitären Aktionen der UNO im Irak, seine Aufgabe nicht länger mit seinem Gewissen vereinen. Eines von fünf Kindern, so begründete der deutsche Diplomat seinen Entschluss, gehe Abend für Abend unterernährt zu Bett; eine ganze Generation junger Menschen werde der Chance auf ordentliche Bildung beraubt, während das "Ölfür-Nahrung-Programm" der UNO, das Bagdad Exporte im Wert von 10,5 Mrd. Dollar im Jahr gestattet, dem einzelnen Bürger lediglich 252 Dollar pro Jahr sichere. Nur wenige Tage später legte die Leiterin des "World Food Program" im Irak ihr Amt zurück. Bereits 1998 hatte von Sponecks Vorgänger, Dennis Halliday, unter Protest seinen Rücktritt erklärt. Die Serie der Rücktritte folgte einem alarmierenden Bericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, der "sich stetig verschlechternde Lebensbedingungen" im Irak beklagt, "während Mangel an Nahrungsmitteln, Medikamenten und sauberem Wasser die Bevölkerung dieses Landes tödlich bedrohen". Während die irakischen Bürger immer tiefer in Verzweiflung stürzen, wittert eine winzige Schicht von Profiteuren neue Morgenluft. Arabische und asiatische Geschäftsleute strömen nach Bagdad. Eine italienische Handelsdelegation folgt einer österreichischen. Deutsche und Japaner wollen wieder in Bagdad Fuß fassen. Irakische Delegationen machen sich nach Spanien und in die Türkei auf. Die Zahl westlicher Firmen, die mit immer größerer Ungeduld auf das lukrative Geschäft im Zweistromland hoffen, wächst stetig. Saddam hat es verstanden, das Embargo als Werkzeug zu totaler politischer Kontrolle im Land einzusetzen. Das "Ölfür-Nahrung-Programm" garantiert der Bevölkerung ein Minimum, damit sie nicht in Massen stirbt, während sich das Regime mit Hilfe von Schmuggel jene Gelder besorgt, die es für seine politische Repression und Aufrü-stung benötigt. |