taz Berlin, 17.3.2000 Zweifel an Polizeiärzten Sachverständige des Verwaltungsgerichts diagnostizieren Traumatisierungen Das Verwaltungsgericht hat schwere Geschütze gegen die Innenverwaltung aufgefahren: Nach einem jetzt bekannt gewordenen Beschluss des Gerichts vom 21. Dezember verletzt die Innenverwaltung durch eine "rechtswidrige Verfahrensweise" die "Grundrechte von traumatisierten Flüchtlingen in mehrfacher Hinsicht". In dem konkreten Fall hatte eine Familie aus Bosnien einen Ausreisebescheid des Landeseinwohneramtes angefochten und in vollem Umfang Recht bekommen, weil der 47-jährige Familienvater laut zwei Gutachten durch seine traumatischen Erlebnisse dringend behandlungsdürftig ist. Verwaltungsrichter Norbert Kunath kritisierte zudem grundsätzlich die Entscheidung der Innenverwaltung, alle Bürgerkriegsflüchtlinge, die per Attest eine Kriegstraumatisierung geltend gemacht haben, generell einer polizeiärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Dies sei eine "verfassunsgrechtlich unzulässige, weil gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen das Übermaßverbot verstoßende Verdachtsuntersuchung". Erhebliche Zweifel äußerte das Gericht an der fachlichen Eignung der Polizeiärzte wie auch am "Willen, eine ernst gemeinte Untersuchung durchzuführen". Gelegentlich werde sogar "eine Sportärztin zur Traumaprüfung eingesetzt". Die Kammer hat inzwischen in 70 Verfahren Gutachten bei 11 gerichtlichen Sachverständigen in Auftrag gegeben, 27 liegen bereits vor. Dabei sei in allen Fällen das negative Ergebnis der Polizeiärzte widerlegt worden, sagte gestern Verwaltungsrichter Kunath. sam |