Die Welt, 17.3.2000 Einwanderung ist eine europäische Frage Brüssel bereitet einheitliche Richtlinien vor Von Nikolaus Blome Am kommenden Mittwoch will die EU-Kommission für mehr Tempo bei einer gemeinsamen EU-Ausländer- und Asylpolitik sorgen. Zugleich wird die deutsche "Green-Card-Debatte" in Brüssel mit Interesse verfolgt. "Die Deutschen sind mit die Ersten, die die Frage nach gesteuerter Zuwanderung stellen", heißt es unter Mitarbeitern des EU-Innenkommissars Vitorino. Die 20 Kommissare werden am Mittwoch in Brüssel eine Art "Anzeigetafel" ("scoreboard") verabschieden, die für alle Aspekte der gemeinsamen Innen- und Justizpolitik die Ziele auflistet, das national Geleistete, die Instrumente und vor allem: die Termine. Mit einem ähnlichen Plan brachte die Kommission Mitte der achtziger Jahre neue Fahrt in die Verwirklichung des EUBinnenmarktes - heute Prunkstück der europäischen Einigung. Die EU-Kommission dürfte damit zumindest bei einigen Mitgliedsstaaten auf Wohlwollen stoßen, auch bei der Bundesregierung. Zwar legt der seit Mai 1999 geltenden EU-Vertrag von Amsterdam fest, dass binnen fünf Jahren die Union zu einer gemeinsamen Handhabung von Asyl, Einwanderung, Flüchtlingsaufnahme und dem Schutz der EU-Außengrenzen finden soll. Fast alle konkreten Beschlüsse dafür müssen aber einstimmig fallen - ein großer Hemmschuh. Die meisten Experten schließen deshalb aus, dass es 2004 tatsächlich eine "EU-Asyl- und Einwanderungspolitik" geben wird. Besonders auf Druck der CSU sorgte die damalige Regierung Kohl zudem dafür, dass im Jahr 2004 nicht wie geplant automatisch von Einstimmigkeitszwang auf Mehrheitsbeschlüsse umgeschaltet wird. Laut Amsterdamer Vertrag müssen die Staats- und Regierungschefs stattdessen wiederum einstimmig beschließen, nach 2004 per Mehrheit zu entscheiden. EU-Kommissionspräsident Prodi hat gefordert, möglichst rasch auf Mehrheitsbeschlüsse umzustellen: Das schaffe zwar das nationale Vetorecht ab, aber anders sei der versprochene "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" nicht zu schaffen. Gelegenheit dazu bietet die angelaufene Reform der EU-Entscheidungsmechanismen, bei der das nationale Vetorecht stark eingeschränkt werden soll. Ziel der EU-Bemühungen ist ausdrücklich nicht, die unterschiedlichen nationalen Regelungen auf einem Durchschnitts-Niveau radikal einzuebnen. Was gesucht wird, ist vielmehr ein halbwegs einheitlich definierter und verwalteter Mindestbestand an Rechten und Pflichten für drei Gruppen - "die man ganz deutlich voneinander unterscheiden muss", wie EU-Beamte sagen: Asylsuchende, Bürgerkriegsflüchtlinge und legale Einwanderer. Beispiel "Green Card" für legale Einwanderer: Sollte sich die EU auf eine gemeinschaftlich, nach Bewerbereignung gesteuerte Zuwanderung einigen, würde "Brüssel" nicht die Zahl der Zuwanderer pro Land festlegen, wohl aber die Verfahren und grundsätzlichen Bedingungen einheitlich umreißen. Beispiel Asyl: Nationale Regelungen wie der Grundgesetzartikel zum Individualanspruch auf Asyl kämen bei der Annährung auf EU-Ebene nicht unter die Räder. Denn jedes Land darf die geplanten EU-Mindeststandards übersteigen, etwa bei der rechtlichen Einspruchsmöglichkeit während eines Asylverfahrens, bei der materiellen Ausstattung der Bewerber und den Bedingungen ihrer möglichen Abschiebung. Erklärtes Ziel ist ein "Gemeinsames Europäisches Asylsystem". Es soll sich "uneingeschränkt" auf die Genfer Flüchtlingskonvention stützen, wie die Staats- und Regierungschefs im Oktober 1999 beschlossen haben. Die EU-Pläne im Internet: www.europa.int/comm/justice_ home/index_de.htm |