Berliner Morgenpost, 18.3.2000 Versteckt sich hinter dem Panzerstreit eine Provokation der Türkei? Von Rüdiger Scharf Karlsruhe - Aus Sicht der Grünen können die 1000 Kampfpanzer der Marke Leopard-2 nicht an die Türkei geliefert werden. Die Voranfrage aus Ankara, die am Dienstag Abend im deutschen Außenministerium einging, müsse von der Bundesregierung abgelehnt werden, hieß es übereinstimmend in Partei und Fraktion. «Aufrund der neuen Kriterien für Rüstungsexporte sehe ich überhaupt keinen Spielraum für die Lieferung», sagte Vorstandssprecherin Antje Radcke am Rande des Bundesparteitages in Karlsruhe der Berliner Morgenpost. «Unsere Haltung ist ziemlich klar.» Schon die Bereitstellung eines Testpanzers im vergangenen Jahr sei falsch gewesen. Es gebe keinen Grund, dass nun die Lieferung von 1000 Leopardpanzern richtig sei. In der Spitze der Bundestagsfraktion, die am Mittwoch von Außenminister Joschka Fischer über den Vorgang informiert wurde, wird darauf verwiesen, dass die Türkei in den vergangenen Monaten die Menschenrechtsfrage nicht gelöst habe. Die Situation habe sich eher noch verschlechtert, kritisierte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Claudia Roth. Aus den Richtlinien für Waffengeschäfte ergebe sich eindeutig, dass die Panzer nicht nach Ankara geliefert werden könnten. Roth vermutet, dass die türkische Regierung die Voranfrage bewusst jetzt gestellt hat und eine deutsche Absage einkalkuliert. Hintergrund könne sein, dass der Nato-Partner nach einem Vorwand suche, um den Milliarden-Deal mit Rüstungsfirmen aus Amerika abschließen zu können. Die Grünen-Abgeordnete rechnet ferner damit, dass die Bundesregierung als Gegenleistung für die Absage des Panzergeschäftes einen umstrittenen Staudammbau im Osten der Türkei mitfinanzieren soll. Das Projekt habe ein Kostenvolumen von vier Milliarden Mark, wovon Deutschland fünf Prozent übernehmen solle. Der Staudamm sei aber sowohl ökologisch als auch politisch bedenklich, sagte Roth. Die Türkei wolle sich offenbar eine Vormachtstellung im Umgang mit Wasserreserven sichern. Dem Bundesparteitag der Grünen liegen mehrere Anträge vor, die die Ablehnung der Panzerlieferung an die Türkei fordern. Sollte es zu einem solchen Export von Panzern «auch in verminderter Stückzahl» kommen, «muss dies für Bündnis90/Die Grünen den Ausstieg aus der Koalition bedeuten», heißt es zum Beispiel in einer Beschlussvorlage des Berliner Landesverbandes. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye ist sich «ganz sicher», dass es wegen des Panzerstreits keine Koalitionsrunde geben wird. Heye sagte gestern in Berlin, allen Beteiligten sei gewärtig, dass die Bundesregierung bereits bei der Lieferung des Testpanzers gegenüber der türkischen Regierung die politischen Zusammenhänge deutlich gemacht habe. An diesen Bedingungen und Erwartungen habe sich nichts geändert. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Andreas Michaelis, sagte, die Bundesregierung werde über den Antrag der Türkei «zum gegebenen Zeitpunkt» beraten. Es werde ein Stellungnahmeverfahren geben, an dem unter anderem das Wirtschafts- und das Verteidigungsministerium beteiligt seien. Auf dieser Grundlage werde dann entschieden. Eine konkrete Frist könne man deshalb nicht nennen. Zu Berichten, nach denen eine Voranfrage der Vereinigten Arabischen Emirate über die Lieferung von 29 «Fuchs»-Spürpanzer schon im Januar 1999 durch den Bundessicherheitsrat positiv beschieden worden ist, verwies Michaelis darauf, dass der Sicherheitsrat ein geheim tagendes Gremium sei. Deshalb seien auch die Beschlüsse geheim. |