junge Welt, 18.3.2000

Panzer überrollen Grünen-Parteitag

Die Ökos vor den Scherben ihrer Personal- und Realpolitik.

jW-Bericht

Außenminister Joseph Fischer geraten offenbar die Strippen durcheinander, am denen er bisher die Grünen nach Belieben tanzen ließ. Parteivorstandssprecherin Antje Radcke wagte sich am Freitag, unmittelbar vor Beginn des Grünen- Parteitages in Karlsruhe, mit deftiger Kritik an ihrem heimlichen Parteichef aus der Deckung: »Die Art und Weise, wie Partei und Fraktion über die Entscheidung zu Hermes- Bürgschaften für ausländische Atomkraftwerke informiert wurden, ist alles andere als glücklich für uns«, erklärte sie gegenüber dem ORB. Fischer müsse durch die Grünen seine Grenzen aufgezeigt bekommen, legte sie nach und forderte, die »sehr fragwürdige und falsche Entscheidung« für die Bürgschaften dürfe nicht kritiklos hingenommen werden.

Hermes-Bürgschaften, Atomausstieg und Personalquerelen sind jedoch nicht alles, womit die bisher sehr anpassungsfähige Regierungspartei auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz konfrontiert wird. Bereits am Freitag nachmittag standen die geplanten Panzerexporte in die Vereinigten Arabischen Emirate auf der Tagesordnung. 64 Fuchs-Spürpanzer sollen Dubai und Umgebung zukünftig vor chemischen und biologischen Aggressionen warnen, und die Bundesregierung ist geneigt, diese in den reichen Zwergstaat am arabischen Golf liefern zu lassen. Eine Tatsache, die bei Teilen der Grünen auf heftige Ablehnung stößt. Claudia Roth, grüne Menschenrechtsfachfrau in der Bundestagsfraktion, lehnt einen solchen Panzerexport ab. Gegenüber der Berliner Zeitung vom Freitag sagte sie: »Wenn man die Rüstungsexportrichtlinien ernst nimmt, muß man das Geschäft ablehnen.« Die Vereinigten Arabischen Emirate seien eine Krisenregion.

Kompromißbereit wie immer gibt sich dagegen die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen- Bundestagsfraktion, Angelika Beer. Dem »Stern« zufolge hätte sie nichts gegen das Geschäft, wenn die Maschinengewehre abgebaut würden.

Schlimmeres Ungemach droht den Grünen jedoch von der Wirtschaft selbst. Justament zum Beginn des Parteitages knallte der Rüstungsproduzent Krauss-Maffei/Wegmann eine formelle Voranfrage an das Auswärtige Amt auf den Tisch. Das Unternehmen möchte nur zu gern 1 000 Panzer vom Typ Leopard 2 an die Türkei liefern. Die Ausschreibung dazu läuft bereits, und ein Probeexemplar des Panzers wurde von der Bundeswehr nach Ankara geschickt. Dort will man sich die geeigneten Mordinstrumente aus Angeboten der Waffenschmieden Deutschlands, Großbritanniens und der USA auswählen.

Das Vorhaben hatte seinerzeit für Koalitionswirbel gesorgt und heftigen Widerspruch in den Reihen der Grünen geweckt. So weit wollen Teile der Partei trotz Befürwortung des Krieges gegen Jugoslawien nicht gehen. Aber die SPD, vor allem Kanzler Gerhard Schröder, muß auf die Arbeitsplätze achten. Irgendwelche Erfolge kann sich Schröder bisher beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nicht an das Traditionsbanner heften. Also wird er sicher Druck machen.

Das wissen die Grünen. Antje Radcke bekräftigte dann am Freitag auch umgehend im Bayerischen Rundfunk das Nein ihrer Partei zu Panzerlieferungen an die Türkei. Der Parteitag wird ihr folgen, aber die Mutprobe für die Grünen wird anstehen, wenn die Türkei sich für den Leopard 2 entscheidet.