Die Welt, 18.3.2000 Scharfer Streit in der Koalition über Panzerexport in die Türkei Von Hans-Jürgen Leersch Berlin - Der deutsche Rüstungskonzern Krauss-Maffei-Wegmann hat bei der Bundesregierung doch eine Voranfrage gestellt, ob der Export von 1000 Leopard-II-Kampfpanzern erlaubt wird, obwohl die Türkei noch keine Entscheidung getroffen hat. Die von der Regierung bestätigte Anfrage führte gestern zu scharfen Spannungen zwischen Sozialdemokraten und Grünen. Der kleine Koalitionspartner lehnt das Zehn-Milliarden-Mark-Geschäft strikt ab, während große Teile der SPD die Lieferung befürworten. Im Herbst war es wegen der gegen die Stimmen der Grünen im Bundessicherheitsrat beschlossenen Lieferung eines Testpanzers an die Türkei zu einer Koalitionskrise gekommen. Die grüne Militärexpertin Angelika Beer sprach von einer "erstaunlichen Indiskretion vor dem Parteitag". Die Frage des Rüstungsgeschäfts mit der Türkei und auch die geplante Lieferung von 64 Fuchs-Spürpanzern an die Vereinigten Arabischen Emirate dürften auf dem Grünen-Parteitag am Wochenende in Karlsruhe eine zentrale Rolle spielen. In Berlin wird davon ausgegangen, dass mit den gezielten Indiskretionen über Rüstungsexporte Streit in die Grünen hineingetragen werden und Außenminister Joschka Fischer geschwächt werden soll. Der Vorsitzende des Förderkreises des deutschen Heeres, Franz Ferdinand Lanz, sprach von "zwiespältiger Moral" in der Koalition. Lanz warf besonders Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) vor, mit unterschiedlichen Maßstäben zu messen. Während sie das Panzergeschäft aus Menschenrechtsgründen ablehne, werde Fidel Castros Kuba in den Kreis der Förderländer für Entwicklungshilfe aufgenommen, "obgleich Demokratie und Menschenrechte in diesem Staat Fremdwörter sind". Lanz sprach sich für die Panzerlieferung aus, die im deutschen Sicherheitsinteresse liege. Außerdem biete die militärische Aufbauhilfe die Chance, durch Zusammenarbeit langfristig eine demokratische Militärphilosophie in der Türkei zu erreichen und Menschenrechtsverletzungen vorbeugen zu können. Zahlreiche SPD-Politiker - an der Spitze Verteidigungsminister Rudolf Scharping - sind für die Lieferung, falls es in der Türkei zu einer spürbaren Verbesserung der Menschenrechtssituation komme. |