Rhein Zeitung, 18.3.2000
Reaktionen auf den neuen Wirbel um Kampfpanzer
Berlin - Für erhebliche Aufregung unmittelbar vor Beginn des Grünen-Parteitages
hat am Freitag eine Voranfrage zum umstrittenen Export von 1000 Kampfpanzern
in die Türkei gesorgt. Damit steht die rot- grüne Koalition
nach der am Mittwoch bekannt gewordenen geplanten Lieferung von 64 Spürpanzern
vom Typ "Fuchs" an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)
erneut vor einer schweren Belastungsprobe. Die von den Grünen abgelehnte
Lieferung eines Testpanzers in die Türkei hatte im Oktober 1999
fast zum Bruch der Koalition geführt.
Krauss-Maffei wies darauf hin, dass die Türkei noch keine Entscheidung
für die deutschen Panzer getroffen habe. Damit sei erst im Sommer
zu rechnen, sagte ein Firmensprecher am Freitag in München. Nach
Angaben des Unternehmens muss der aus Deutschland gelieferte Musterpanzer
nach der winterlichen Erprobung noch unter sommerlichen Bedingungen
getestet werden.
Grüne wollen auf jeden Fall ablehnen
Die Grünen machten unmißverständlich klar, dass sie
auf Grund der Menschenrechtslage in der Türkei einen Export der
Leopard-Kampfpanzer auf jeden Fall ablehnen. Vom Grünen-Parteitag
wurde dazu ein klares Signal erwartet. Ihre verteidigungspolitische
Sprecherin Angelika Beer bezeichnete das Bekanntwerden der Voranfrage
zum Leopard als "erstaunliche Indiskretion vor dem Parteitag".
Sie gehe jedoch davon aus, dass es mit dem Koalitionspartner SPD und
Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Verständigung gegen das
Panzergeschäft mit der Türkei gebe, sagte Beer der dpa. "Ich
erwarte ein klares Nein im Konsens." Auch Grünen-Vorstandssprecherin
Antje Radcke und der Abgeordnete Hans-Christian Stöbele bekräftigten
das "Nein" ihrer Partei zum Panzergeschäft. "In
der Türkei beginnt sich vielleicht einiges zu wandeln, aber die
Türkei ist noch weit davon entfernt, die Menschenrechte einzuhalten",
sagte Radcke im Bayerischen Rundfunk.
Regierungssprecher: Von Menschenrechtslage abhängig
Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye unterstrich am Freitag vor Journalisten
die bekannte Haltung der Bundesregierung dazu. Der türkischen Regierung
sei immer wieder die Einhaltung der Menschenrechte als wichtigstes Kriterium
nach den neuen Rüstungsexport-Richtlinien deutlich gemacht worden.
Bereits früher hatten führende SPD-Regierungspolitiker immer
wieder betont, eine mögliche Panzerlieferung sei an eine Änderung
der Menschenrechtslage in der Türkei geknüpft.
Unterschiedliche Haltungen in der Koalition gibt es dagegen zum Kaufwunsch
der Arabischen Emirate für die "Füchse". Die Lieferung
in ein Spannungsgebiet und die Bewaffnung des Spürpanzers mit schweren
Maschinengewehren waren auf Ablehnung bei mehreren Grünen gestossen.
Beer betonte am Freitag erneut, dass eine Lieferung der "Füchse"
nur in einer unbewaffneten Form denkbar sei.
Scharping (SPD): "Fuchs" eher defensiv
Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hatte dagegen für
eine nüchterne Prüfung des Exports des eher defensiv ausgerichteten
Spürpanzers "Fuchs" zum Schutz gegen atomare, biologische
und chemische Kampfstoffe (ABC) plädiert. Der verteidigungspolitische
Sprecher der SPD-Fraktion, Peter Zumkley, sprach sich für eine
Lieferung aus. Auf Grund des rein defensiven Charakters sehe er derzeit
keine Gründe, den Fuchs den Emiraten zu verweigern, sagte er der
"Berliner Zeitung".
Konkurrenzmodelle aus den USA und Frankreich
Der Sprecher von Krauss-Maffei erklärte die Voranfrage für
die "Leos" als "reine Vorsorgemaßnahme" für
den Fall, dass die Türkei sich für das deutsche Angebot entscheide.
Außer den Leos testet die Türkei derzeit noch Konkurrenzmodelle
aus den USA und Frankreich. Beworben hatten sich ferner Firmen aus Italien
und der Ukraine. Nach Angaben von Krauss-Maffei könnte eine türkische
Bestellung für 1000 Kampfpanzer ein Auftragsvolumen von rund 14
Milliarden Mark haben. Durch die wahrscheinlich hauptsächlich in
der Türkei erfolgende Produktion des Leopard 2 A5 entfielen davon
rund sechs Milliarden Mark auf Krauss-Maffei und 1500 andere deutsche
Zulieferfirmen. So könnten rund 6000 Arbeitsplätze beim Panzerhersteller
und seinen Zulieferern gesichert werden.
dpa
|