Rhein Zeitung, 18.3.2000

Hintergründe:

Fischer, die Grünen-Basis und die Panzer-Voranfrage

Berlin/Karlsruhe - Die Voranfrage der Rüstungsfirma Krauss- Maffei Wegmann zum Export von 1000 Kampfpanzern in die Türkei kann im Auswärtigen Amt niemanden überrascht haben. Seit Wochen kursieren Meldungen, dass die Türkei definitiv wissen will, ob sie die Panzer vom Typ Leopard 2 A5 auch bekommt, wenn sie sie haben will. Eine Exportgarantie wird und will aber niemand geben. Allerdings wolle Krauss-Maffei langsam eine Entscheidung herbeiführen, heißt es in Regierungskreisen. Denn für das Unternehmen ist der Panzer-Export, den die Bundesregierung nach den neuen Rüstungskontrollrichtlinien eigentlich nicht gut heißen darf, ein lukratives Geschäft.

Überraschend ist der Zeitpunkt. Kurz vor dem Grünen-Parteitag kommt die Voranfrage zu Bundesaußenminister Joschka Fischer. Eine Taktik der Firma stecke nicht dahinter, meinen Experten. Gerüchte von "Rache der Rüstungsindustrie", die den Parteitag spalten wolle, halten Insider für abwegig. Doch warum hat der Außenminister, der wegen seiner mangelnden Informationspolitik bereits manch harte Worte von Parteifreunden einstecken musste, diesmal die Grünen-Fraktion sofort informiert?

Möglich ist, dass er sich einfach die Kritik wegen seiner Verschwiegenheit im Zusammenhang mit der Genehmigung von Staatsbürgschaften für drei Atomprojekte im Ausland zu Herzen genommen hat. Als sehr wahrscheinlich gilt das nicht.

Zündstoff auf dem Parteitag
Fischer weiß, das nun wieder aufflammende Panzer-Thema sorgt für neuen Zündstoff auf dem Grünen-Parteitag in Karlsruhe, der eigentlich dem Atomausstieg und der Strukturreform der Partei gewidmet sein sollte. Für ihn ist es eine Chance, "seine" Basis zurückzugewinnen, aus der zunehmend mehr Kritik an Person, Art und politischer Ausrichtung kommt.

Zu oft, heißt es bei den Grünen, gehe Fischer einen Alleingang. Es gebe Kommunikationsprobleme. Er, der die Partei reformieren und modernisieren will, der die Jungen für die einst junge Bewegung begeistern und gewinnen will, hat sich von der Basis entfernt. Der Kosovo-Krieg hat ihm so manchen Gegner gebracht. Als Außenminister sitzt er auf einem Olymp, der für viele unerreichbar ist. Kann er jetzt die Basis überzeugen, dass es mit ihm, der im Bundessicherheitsrat bereits gegen den Test-Panzer an die Türkei gestimmt hat, keine Lieferung an den strategisch wichtigen Nato- Partner an der Südost-Flanke des Bündnisses geben wird, wird er möglicherweise wieder die Zustimmung finden, die ihm in jüngster Zeit versagt geblieben ist.

Neue Richtlinien für Rüstungsexporte
Selbst wenn Fischer die Partei von seiner grünen Haltung bei diesem Thema überzeugen kann, wird das Thema in der Koalition für mächtigen Zündstoff sorgen. Die neuen Richtlinien für Rüstungsexporte vom Januar sehen eindeutig vor, dass künftig auf die Einhaltung der Menschenrechte in den Empfängerländern sorgfältig geachtet werden muss. Schon warnen die Grünen die SPD: Eine Panzerlieferung an das Land sei mit den Richtlinien nicht zu vereinbaren, sagt die Grünen- Vorstandssprecherin Antje Radcke. Gleiches gelte übrigens auch für den Spürpanzer "Fuchs" an die Vereinigten Arabischen Emirate, fügt sie hinzu. An der Lieferung des "Labors auf Rädern" kann die SPD nun wiederum aber nichts falsch finden. Bei den Grünen heißt es, zwar sei der Fuchs kein Kampfpanzer, aber "militärisches Gerät".

Entscheidung im Sicherheitsrat
Der Vorantrag wird nun vom Auswärtigen Amt verteilt: Eine Kopie an das Wirtschaftsministerium, eine an das Verteidigungsministerium und eine an das Entwicklungshilfeministerium. Die Einschätzungen der Ressorts gehen an das Kanzleramt und von dort an den Bundessicherheitsrat, in dem Fischer schon einmal überstimmt wurde. Der muss dann entscheiden, ob die Türkei die Panzer, Krauss-Maffei den Deal und die Regierung eine handfeste Koalitionskrise bekommt.

Von Ute-Marion Schnurrer, dpa