junge Welt, 18.3.2000 Demoverbot vor Panzerfabrik Kassel will keine Protestaktion vor Betriebsgebäude des Waffenproduzenten Wegmann Die Absicht, in Kassel eine Kundgebung gegen die Lieferung von 1 000 Leopard-Panzern in die Türkei durchzuführen und dabei vor den Toren der Firma Krauss-Maffei/Wegmann den direkten Kontakt mit den Arbeitern des Panzerproduzenten zu suchen, ist bei der Stadt auf wenig Gegenliebe gestoßen. Eine Verbotsverfügung des Ordnungsamtes, die diese Woche dem anmeldenden Unterstützerkreis »Kirchenzuflucht« der Gemarker Kirche Wuppertal zugestellt wurde, beginnt mit den Worten: »Gemäß Paragraph 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (...) verbiete ich die geplante Veranstaltung >Panzerexport in die Türkei und Abschiebungen von kurdischen Flüchtlingen< am 3. 4. 2000 vor dem Betriebsgebäude der Firma Wegmann«. Der Unterstützerkreis Kirchenzuflucht hatte in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, unter anderem dem örtlichen DGB, eine Veranstaltung angemeldet, mit der auf die möglicherweise bevorstehenden Panzerlieferungen an die Türkei und die drohende Abschiebung kurdischer Flüchtlinge hingewiesen werden sollte. Der Termin war wohlüberlegt: Am 3. April reist Bundespräsident Johannes Rau in die Türkei. Ein fataler Zusammenhang: »Während Johannes Rau das Folterregime zur Einhaltung der Menschenrechte ermahnt und mit Panzerlieferungen lockt, demonstrieren illegalisierte kurdische Flüchtlinge gegen die Panzerlieferungen, gegen Abschiebungen und für ein Bleiberecht«, so ein Sprecher des Unterstützerkreises. Doch wenn es nach dem Willen des Ordnungsamtes der nordhessischen Stadt geht, wird es vor dem Werk des Leopard-II-Produzenten keinen »öffentlichen Aufzug« geben: Dem Unterstützerkreis wird in der Verbotsverfügung mitgeteilt, daß sein Vorhaben, offensichtlich vor allem wegen der Beteiligung kurdischer Flüchtlinge an der geplanten Veranstaltung, die öffentliche Sicherheit gefährde. Eine Garantie dieser Sicherheit und ein gesetzestreuer Verlauf seien nur durch die ausgesprochene Verbotsverfügung möglich. Schließlich hätten bis zuletzt derartige Versammlungen dazu geführt, daß »Ziele und Machtpositionen« der in Deutschland verbotenen PKK dargestellt würden. Selbst bei einer »ansonsten friedlichen Kundgebung vor dem SPD-Parteibüro am 18. 2. 1999 in Kassel« sei über einen längeren Zeitraum skandiert worden: »Wir sind PKK«. Erinnert wird in der Verfügung daran, daß Ex-Bundesinnenminister Kanther die PKK, einschließlich »ihrer Teilorganisationen«, vor Jahren verboten habe - und dieses Verbot sei bis heute gültig. Vor diesem Hintergrund sei »auch unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit eine anderslautende positive Entscheidung nicht möglich«. Die Verbotsverfügung ist für den Unterstützerkreis kein Grund, von dem Vorhaben abzurücken. Nun geht es darum, prominente Mitstreiter in dieser Sache zu finden und das Ganze nochmals juristisch überprüfen zu lassen. Als Teilnehmer und Redner sollen zudem Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen und der PDS gewonnen werden. Wie nötig Proteste gegen eine Lieferung von Leopard-II- Kampfpanzern sind, zeigen die jüngsten Meldungen: Nach Angaben des ZDF hat sich die Türkei, viel früher als zunächst gedacht, bereits dafür entschieden, bei der Modernisierung ihrer Streitkräfte auf die Anschaffung von Leopard-II- Kampfpanzern zu setzen. Eine entsprechende Voranfrage des Panzerproduzenten Krauss-Maffei/Wegmann liegt nun dem Auswärtigen Amt vor. Für politische Beobachter ist dies aber nur ein Schachzug, um die Grünen unmittelbar vor ihrem Parteitag unter Druck zu setzen und neuen Zündstoff in die Berliner Regierungskoalition zu tragen. Wie auch immer: Vor dem Hintergrund der von Minister Rudolf Scharping befürworteten »Fuchs«-Panzerlieferungen an die Vereinigten Arabischen Emirate wird es der rot-grünen Regierung nicht an Reizthemen mangeln. Neben dem Schwerpunkt Atomausstieg ist nun, von der grünen Spitze so nicht vorgesehen, auch das Thema Rüstungsexport- und Außenpolitik in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Der Parteitag in Karlsruhe verspricht deshalb eine unterhaltsame Veranstaltung zu werden. Abweichungen von der glatten Parteitagsregie sind programmiert. Thomas Klein |