Böblinger Zeitung, 19.3.2000

PKK-Sympathisanten wegen Mordversuchs angeklagt

Türkisches Lokal an der Neckarstraße mit Molotowcocktails beworfen - Fünf Männer und eine Frau vor Gericht

Er ging glimpflich aus, hätte jedoch in einer Brandkatastrophe enden können - der Anschlag auf eine türkische Kneipe an der Neckarstraße. Seit Freitag müssen sich sechs PKK-Sympathisanten wegen 17fachen versuchten Mordes vor Gericht verantworten.

VON GEORGE STAVRAKIS

Als die Angeklagten in Handschließen in den Landgerichtssaal geführt werden, brandet Beifall auf, Mütter winken ihren Söhnen zu. Der Raum ist mit Freunden und Familienangehörigen gefüllt. Die Vorwürfe, die Staatsanwalt Kleiner in seiner Anklage formuliert, geben indes keinen Anlass zu applaudieren.

Den fünf männlichen Angeklagten zwischen 16 und 22 Jahren werden heimtückischer versuchter Mord mit gemeingefährlichen Mitteln in 17 Fällen, versuchte schwere Brandstiftung und Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last gelegt. Das 18-jährige Mädchen, eine Deutsche aus Göppingen, steht wegen Beihilfe vor der 7.Großen Strafkammer. Vier der Angeklagten sind türkische Staatsbürger aus Stuttgart, Plochingen und Lüdersfeld bei Hannover, der 16-Jährige ist ein staatenloser Kurde aus Dänemark, der zu Besuch in Stuttgart war.

Die Tat steht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Todesurteil gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan vom 29.Juni 1999. Kurz danach haben die jungen Leute beschlossen, offenbar unter der Führung des 21-jährigen Ibrahim A. aus Lüdersfeld, aktiv zu werden. In der Nacht zum 1.Juli kaufen sie an einer Dea-Tankstelle in Plochingen mehrere Liter Benzin. In der Plochinger Wohnung eines der Angeklagten bastelt die sechsköpfige Gruppe sieben Molotowcocktails. Das Ziel für die Brandflaschen muss zu dieser Zeit schon festgestanden haben. Denn gegen 1 Uhr steigen die PKK-Sympathisanten ohne das Mädchen in einen roten VW Golf und sind bereits 20 Minuten später an der Neckarstraße vor einem türkischen Lokal. Sie schleudern die Brandflaschen gegen das Gebäude. Eine durchschlagende Wirkung bleibt aus, da die meisten Lunten erlöschen. Es entsteht nur geringer Sachschaden. Ein Anwohner notiert sich das Kennzeichen des Golfs, die Verdächtigen werden noch in der selben Nacht festgenommen. ¸¸Die Angeklagten haben den Tod von 17 in dem Haus schlafenden Personen in Kauf genommen'', so der Staatsanwalt.

Der mutmaßliche Kopf der jugendlichen Gruppe nimmt vor Gericht die Gelegenheit wahr, auf die Situation der Kurden in der Türkei hinzuweisen. ¸¸Die ständigen Repressalien, die systematische Unterdrückung hat meine Familie 1994 dazu veranlasst, in Deutschland Schutz zu suchen'', so Ibrahim. Er berichtet, sein Vater sei in Diabakir aus politischen Gründen im Gefängnis gesessen. Die anderen Angeklagten lassen von ihren Anwälten Erklärungen verlesen. Die Tat selbst räumen sie nur teilweise ein. Der Prozess geht am Mittwoch weiter.