junge Welt, 20.3.2000 Peitsche statt »Sanatorium« Rassistische Ausfälle im sächsischen Landtag. PDS und Teile der SPD-Fraktion fordern den Rücktritt von Volker Schimpff (CDU) »Da kann man auch einen Vampir zum Vorsitzenden der Blutbank machen«, so der Zwischenruf des SPD- Abgeordneten Karl Nolle am vergangenen Donnerstag im sächsischen Landtag. Gemeint war die Tätigkeit des CDU- Mannes Volker Schimpff als Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses. Schimpff hatte in der Debatte zuvor seinem Rassismus freien Lauf gelassen. In seiner Rede zum CDU-Antrag »Übereinkommen zur Überstellung ausländischer Häftlinge« hatte er einiges über ausländische Straftäter, ihre Mentalitäts- und Kulturprobleme sowie ihre Resozialisierung, die, wenn überhaupt, nur im Heimatland stattfinden könne, zu bieten. Als wahrer Volksvertreter trug er zunächst seine Sorge um den deutschen Steuerzahler vor: »Deutsche Gefängnisse stecken voller ausländischer Straftäter. Selbst in Sachsen beträgt der Anteil einsitzender Ausländer seit Jahren zwischen 22 und 30 Prozent. ... Gleichwohl dürfen wir das Kostenproblem nicht außer acht lassen. Wir vertreten das Volk, dessen Steuern für die Unterbringung zugereister Straftäter ausgegeben werden.« Zu schaffen macht Schimpff aber vor allem die Frage der Resozialisierung, die seit einiger Zeit der gesetzliche Hauptzweck des »sehr sehr progressiven, sehr sehr liberalen, sehr sehr zeitgeistgemäßen Strafvollzugs« sei. Wie sollen Menschen, die unsere Sprache nicht verstehen, Menschen, die in diesem Land Kultur- und Mentalitätsprobeme haben, resozialisiert werden? »Österreicher und Schweizer, die unsere Sprache sprechen, Franzosen und Briten, Italiener und Schweden, kurz Westeuropäer, finden sich in den Gefängnissen kaum. Wir können diese wenigen westlichen Ausländer vernachlässigen. Aus unseren unmittelbaren Nachbarstaaten Polen und der Tschechischen Republik, nicht hingegen aus Ungarn, der Slowakei, Kroatien, Slowenien, den baltischen Staaten, bevölkern mehrere hundert Straftäter die sächsischen Vollzugsanstalten. ... Ausländer, die sich deutsch nur wenig verständigen können, kommen für Resozialisierungsprogramme, bei denen es auf die sprachliche Verbindung ankommt, nicht in Betracht. Eine Verbüßung der Freiheitsstrafe in einem Gefängnis des Heimatlandes ist sicher besser.« Noch problematischer ist in Schimpffs Gedankenwelt eine dritte Gruppe von Straftätern, »die nicht aus dem abendländischen Kulturkreis stammt«. Zu Verständigungsproblemen kämen hier, noch viel schwerwiegender, »die Probleme des Kulturkonfliktes. ... In der nüchternen Sprache der Statistik: Algerier und andere Araber, Rumänen und andere Südosteuropäer, Vietnamesen und Türken, einschließlich Kurden, sind weit, weit überproportional ... in Sachsens Vollzugsanstalten anzutreffen. Aber deutsche Vollzugsanstalten sind für die meisten ausländischen Verbrecher eher ein Sanatorium als eine Strafanstalt.« Daß es in anderen Ländern und Knästen schon mal härter zur Sache geht, weiß auch Herr Schimpff und findet das gar nicht so verkehrt: »Zugegebenermaßen hielte sich mein Mitleid in Grenzen, wenn der im heimatlichen Kulturkreis einsitzende Verbrecher bei der Arbeit Ketten an den Füßen hätte oder er für Disziplinarverstöße statt einstweiligen Entziehens des Lesestoffes, wie im deutschen Strafvollzugsgesetz, die in Afrika und Asien vorgesehenen Peitschenhiebe kriegte. Es diente ja schließlich dem progressiven, liberalen Hauptzweck der Freiheitsstrafe, seiner Resozialisierung.« Auf die sich bei diesen Ausfällen häufenden Zwischenrufe im Landtag und die Aufforderungen aufzuhören meinte Schimpff trocken: »Wenn Sie, meine Damen und Herren, sich jetzt über diese Rede ärgern, wir sprechen uns in zehn Jahren wieder, da wird das communis opinio und Rechtswirklichkeit sein.« Angesichts solcher Prognosen des 45jährigen Mitglieds der rechten Pan-Europa-Union verließen die PDS-Fraktion und Teile der SPD-Fraktion unter Protest den Saal. Nun fordern sie wegen ausländerfeindlicher Äußerungen Schimpffs Rücktritt. Der Obmann der PDS-Fraktion im Verfassungs- und Rechtsausschuß des sächsischen Landtags, Klaus Bartl: »Was Schimpff bei der Strafverfolgung in anderen Ländern akzeptiert, ist nach deutschem Recht ein Asylgrund. Wer solche verfassungswidrigen Positionen vertritt, kann nicht Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses eines deutschen Parlaments sein.« Der PDS-Politiker will die Schimpff-Rede den Berufsverbänden von Juristen, Vereinen der Straffälligen-Hilfe und dem Europäischen Parlament zuleiten. Im Europaparlament, so Bartl, müßten diese ungeheuerlichen rassistischen Ausführungen zur Kenntnis gebracht und behandelt werden, wenn über die Kooperation mit Nicht-EU-Staaten debattiert wird. Der Obmann der CDU im Verfassungsausschuß, Marko Schiemann, entschuldigte sich inzwischen im Namen seiner Fraktion und beteuerte, daß die CDU auf dem Boden der sächsischen Verfassung stünde. Justizminister Steffen Heitmann, der nach Schimpff ans Rednerpult getreten war, sah sich in der Landtagsdebatte hingegen nicht genötigt, auf dessen Ausfälle zu reagieren. Wera Richter |