junge Welt, 20.3.2000 Warum will CDU-Abgeordneter in Sachsen Peitschenhiebe? jW fragte Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der PDS-Landtagsfraktion Sachsen F: Sie forderten am Donnerstag mit Fraktionschef Peter Porsch für die PDS den Rücktritt des Vorsitzenden des Verfassungs- und Rechtsausschusses im sächsischen Landtag, Volker Schimpff (CDU) und kündigten einen Abwahlantrag an. Warum? Im Landtag wurde am Donnerstag ein von der CDU gestellter Antrag debattiert, nach dem sich die Regierung im Bund für die Ratifizierung eines Zusatzprotokolls zur Überstellung ausländischer Häftlinge einsetzen soll. Verurteilte Ausländer sollen so auch ohne ihre Zustimmung an ihr Heimatland überstellt werden können. Für die CDU sprach Volker Schimpff in einer nicht hinzunehmenden Aneinanderreihung rassistischer sowie verfassungswidriger Äußerungen. Nach der Feststellung: »Deutsche Gefängnisse stecken voller ausländischer Straftäter« und »Wir vertreten das Volk, dessen Steuern für die Unterbringung zugereister Straftäter ausgegeben werden«, nahm Schimpff eine Dreiteilung der in den Vollzugseinrichtungen Einsitzenden vor: Bei den 75 Prozent Deutschen solle der gesetzliche Vollzugszweck der Resozialisierung angestrebt werden, sie seien kulturell geeignet. Bei Ausländern aus unmittelbaren Nachbarstaaten wie Polen und der Tschechischen Republik entspräche die »kulturelle Herkunft und Normenkenntnis« wenigstens noch der deutschen, jedoch sei bereits für sie die Strafverbüßung im Heimatland besser, da einer Resozialisierung in Deutschland die Sprachbarriere entgegenstünde. Als sehr problematisch erklärte er dann die dritte Gruppe, »die nicht aus dem abendländischen Kulturkreis stammt«. Als Beispiel nannte er Türken, Rumänen und Jugoslawen, in der Regel »Kosovo-Albaner«. Bei diesen kämen zur Verständigungsschwierigkeit »Probleme des Kulturkonfliktes«. »Deutsche Justizvollzugsanstalten« - so Schimpff - »sind für die meisten ausländischen Verbrecher eher ein Sanatorium als eine Strafanstalt«. Ihre Resozialisierung müsse daher »in einer ihrer eigenen Herkunft entsprechenden Gesellschaft und auf eine ihren Erfahrungen, Verhaltensmustern und Mentalitäten entsprechenden Weise erfolgen«. Schimpff sprach von »der ausländischen Delinquenz- und Gefängnispopulation«. Die Herkunftsstaaten ließen ausgewiesene Verurteilte nach Rückkehr in ihr Land »unkontrolliert frei«. Er entwickelte daher zur »richtigen Lösung dieses Dilemmas« den Vorschlag, Deutschland solle mit Staaten, deren Kulturkreis dem des jeweiligen »für den deutschen Strafvollzug ungeeigneten ausländischen Straftäters entspricht« Verträge abschließen, wonach diese die Vollstreckung der von Deutschland verhängten Strafe vornehmen. Dies natürlich gegen einen Obolus. Schimpff: »Da das Ganze auch zu den landesüblichen Kosten erfolgen würde, wäre es für den deutschen Steuerzahler ein erheblich niedrigerer Aufwand (....) Für das betreffende Land könnte es aber ein nützlicher Wirtschaftsfaktor werden. Und schließlich tragen Zahlungen an das Haftland für tatsächlich erbrachte Leistungen mehr zur Entwicklung bei als pure Finanzspritzen aus Gründen der Entwicklungshilfe«. Dem fügte er an: »Und zugegebenermaßen hielte sich mein Mitleid in Grenzen, wenn der im heimatlichen Kulturkreis einsitzende Verbrecher bei der Arbeit Ketten an den Füßen hätte oder für Disziplinverstöße statt einstweiligen Entziehens des Lesestoffs wie im deutschen Strafvollzugsgesetz die in Afrika und Asien vorgesehenen Peitschenhiebe kriegte. Es diente ja schließlich seiner Resozialisierung«. Und dieser Mann ist seit neun Jahren Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses im sächsischen Landtag. F: Aber Schimpffs Nähe zum rechten Rand ist doch seit langem bekannt ... Ja, er ließ sich schon in der Nähe von Neonazidemos filmen, weil er angeblich deren Verfassungsmäßigkeit beobachten wollte, oder verkündete vor einem Jahr im Landtag, die Bodenreform nach dem Zweiten Weltkrieg sei »Klassenmord« gewesen, vergleichbar mit dem »Völkermord an den Juden«. Seine nun von der CDU beklatschte Rede aber überbietet alles Dagewesene. F: Hatte sich der rechtspolitische Sprecher der CDU Marko Schiemann, nicht entschuldigt? Anders als Justizminister Steffen Heitmann, der nicht auf die Schimpffschen Entgleisungen einging, erklärte Marko Schiemann im Schlußwort, daß sich die CDU-Fraktion klar auf dem Boden der sächsischen Verfassung und des Grundgesetzes befände, und: »Sollten Äußerungen, die hier gemacht worden sind, das Gegenteil präjudiziert haben, dann möchte ich mich im Namen der CDU-Fraktion beim hohen Hause entschuldigen.« Dafür war er dann vor aller Augen deutlichen und auch wortstarken Anfeindungen aus den eigenen Reihen ausgesetzt. F: Schimpff verweigert den Rücktritt. Wird Ihr Abwahlantrag Erfolg haben? Die SPD erklärte ihre Unterstützung. Die CDU sieht »keinen Anlaß für eine Abwahl Schimpffs«. Diese Haltung steht in der Kontinuität des Skandals. Was schwadroniert die BRD über die Regierungsbeteiligung der Haider-Partei in Österreich, wenn hier jemand mit der Schimpffschen Geisteshaltung einen Verfassungs- und Rechtsausschuß leiten kann? Wir sorgen jetzt dafür, daß diese Rede ihre Öffentlichkeit findet: im Europaparlament, bei Juristen, bei Flüchtlingshilfen ... Welcher Druck daraus entsteht, werden wir ja sehen. Interview: Andreas Schwarz |