Neue Zürcher Zeitung, 20.03.2000 Iranische Lockerungsübung gegenüber Amerika Kritisches Lob für Exporterleichterungen Die iranische Regierung hat am Wochenende die Teilaufhebung der amerikanischen Wirtschaftssanktionen und die damit verbundenen Schuldbekenntnisse Amerikas begrüsst, aber die Aufnahme eines offiziellen Dialogs weiterhin ausgeschlossen. Der indirekte Austausch der USA und Irans hat jedoch mittlerweile ein hohes Mass der Sachlichkeit, Offenheit und verblüffenden Selbstkritik erreicht. vk. Limassol, 19. März Die amerikanische Staatssekretärin Albright hat es in iranischen Augen doch etwas zu eilig gehabt mit ihrem Ölzweig der Sanktionenerleichterung, der gleich einen formellen Dialog zwischen Regierungsstellen Teherans und Washingtons eröffnen sollte. Gewiss liess sich auch mancher von Albrights Neujahrswünschen zum 21. März in persischer Sprache rühren, doch erkennt jeder, dass der wahre Anlass für die Charme-Initiative nicht in der Frühlingssonnenwende zu suchen ist, sondern in der erwarteten politischen Wende nach dem Sieg der Reformer in der iranischen Parlamentswahl vor einem Monat. Verteidigung des Revolutionsführers Das iranische Aussenministerium, das schliesslich den Dialog mit den USA führen wird, nahm die Aufhebung des amerikanischen Verbots der Einfuhr von Teppichen, Dörrfrüchten und Kaviar aus Iran mit viel genauer dosiertem Optimismus auf: «Gewiss werden wir diese Geste mit gleichwertigen eigenen Massnahmen aufwiegen», versicherte der iranische Uno-Botschafter Nejad- Hosseinian vor einem amerikanischen Publikum in Washington. Dann nahm er Albrights teilweise selbstkritische Ausführungen mit ebenso grosser Offenheit auf: Demokratie in der Islamischen Republik reife erst allmählich heran. Die Atmosphäre von Stabilität und Vertrauen sei nunmehr für hohe Verantwortliche wie auch für das Volk so stark geworden, dass sie den Iranern mehr Raum für Selbstkritik gewähre. So könnten sie die Chancen zur Verbesserung nutzen und die egalitären Prinzipien der islamischen Revolution in ihrer besonderen Spielart der Demokratie anwenden. Im scharfen Kontrast zu den doktrinären Slogans früherer Jahre bekannte er: «Wir sind noch immer in einem Lernprozess begriffen, wir formulieren erst einen nationalen Konsens über das Tempo der Veränderung und der Reformen.» «Unrealistische Einladung» Eine genaue Prüfung zeigt, dass die Zwiesprache hier bereits läuft. Da sind iranische Antworten auf Frau Albrights Angebot: «Die USA sehen eine wachsende Anzahl gemeinsamer Interessen. Wir haben zum Beispiel beide ein Interesse an der Stabilität und am Frieden im Persischen Golf. Iran lebt in einer gefährlichen Nachbarschaft. Wir unterstützen regionale Beratungen zum Abbau von Spannungen und zur Vertrauensbildung.» Frau Albrights regionalpolitische Anforderungen an Iran nehmen allmählich Formen an, deren Behandlung dank der wachsenden Subtilität der iranischen Diplomatie nicht mehr unmöglich erscheint. Ein Verzicht auf Polemik gegen die Israel-Verhandlungen, Aufklärung über die Rüstungskooperation mit Russland, Bekämpfung des Terrorismus sind in Teheran keine Fremdwörter mehr. Lediglich die Rückversicherung gegen konservative Eiferer der islamischen Revolution ist noch mangelhaft, und auch die amerikanische Politik ist noch nicht von ideologischen Verzerrungen frei. |