junge Welt, 21.3.2000 Gespannte Ruhe Erstmals Erlaubnis für Newroz-Feier in Diyarbakir Die Bevölkerung von Diyarbakir, der heimlichen Hauptstadt der Kurden im Südosten der Türkei, darf dieses Jahr zum ersten Male mit Erlaubnis der türkischen Behörden das kurdische Neujahrsfest feiern. Am 21. März begehen die Kurden und andere Völker des Mittleren Ostens traditionell den Frühlingsanfang mit Freudenfeuern, Tanz und Musik. In den vergangenen Jahren waren türkische Sicherheitskräfte vor allem in den kurdischen Gebieten mit brutaler Gewalt gegen Newroz-Feiernde vorgegangen. Der Vorsitzende der in Diyarbakir und den meisten kurdischen Städten regierenden HADEP (Demokratie-Partei des Volkes), Ahmet Turan Demir, äußerte am Montag in Diyarbakir vor der Presse die Hoffnung, daß diese erstmalige Erlaubnis ein wichtiger Schritt hin zu einer Demokratisierung sein möge. Newroz solle ein Fest des Friedens und der Brüderlichkeit sein, so Turan Demir, der selbst tscherkessischer Herkunft ist. Der Oberbürgermeister von Diyarbakir, Feridun Cilik, erkärte, die HADEP werde alles tun, daß die Feier friedlich verlaufe. Zu dem in einem Park fünf Kilometer außerhalb der Stadt geplanten Fest werden rund 200 000 Teilnehmer aus der Region sowie eine Reihe ausländischer Delegationen erwartet. Vertreter deutscher, englischer, französischer und norwegischer Nichtregierungsorganisationen trafen am Montag unbehelligt, aber beobachtet von Polizei und Sicherheitskräften, in Diyarbakir ein. In der Stadt herrscht eine gespannte Ruhe. Nach Angaben von HADEP-Vertretern haben der Druck und die politische Repression, die in den vergangenen Jahren hier besonders ausgeprägt gewesen waren, leicht nachgelassen, vor allem, seit die PKK vor zwei Monaten das Ende des bewaffneten Kampfes erklärt habe. In den meisten anderen Städten wie Mardin, Van und Hakkari sind von der HADEP organisierte Newroz-Feiern jedoch auch dieses Jahr verboten worden. Verboten wurde auch eine Feier in Istanbul, wo die Behörden nach HADEP- Angaben ihre Veranstaltung nicht genehmigen wollten, weil der Buchstabe »W« in Newroz kein Buchstabe des türkischen Alphabets sei. Da sich viele Kurden das Recht auf Newroz- Feiern auch in den Städten ohne Genehmigung erfahrungsgemäß nicht nehmen lassen werden, rechnen Beobachter vor allem dort mit Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Dieter Balle, Diyarbakir |