Frankfurter Rundschau, 21.3.2000 Klärung mit deutscher Hilfe Ein Trinkwasser-Projekt in politisch heiklem Umfeld Bunt schimmert ein Ölfilm auf dem Regenwasser-Rinnsal. Die Brühe folgt den Unebenheiten im Asphalt des Parkplatzes ziemlich genau in die Richtung, in der in einem fünfzig Quadratmeter großen Bau eine Pumpstation untergebracht ist. Darunter fließt der Rohstoff, den zwei röhrende Pumpen in die Trinkwasserleitungen drücken. Geklärt oder gefiltert wird nicht. Dafür steht Chlorgeruch in der Luft: Nebenan liegt ungeschützt ein 100-Kilo-Tank Desinfektionsmittel, das dem Trinkwasser zugesetzt wird. "Diese Anlage versorgt zehn Prozent der Bevölkerung. Sie ist nur eine unserer Sorgen", sagt Sema Korkmaz. "Das gesamte Trinkwasser und Abwassersystem der Stadt ist in einem schlechten Zustand. Manchmal fällt die Wasserversorgung ganz aus. Jedes Jahr haben wir zehntausend Fälle von Typhus". In der gesamten Bundesrepublik sind es 370. Die 23-jährige Bauingenieurin Sema Korkmaz gehört zur ambitionierten "Project Management Unit", der Führungseinheit der Stadtwerke von Diyarbakir. Das Trink- und Abwassersystem wird für rund 120 Millionen Mark erneuert. In der Altstadt sind die ersten neuen Hausanschlüsse verlegt. Bald wird der Grundstein für eine Kläranlage gelegt. Finanziert wird das Projekt mit einem gut 50-Prozentigen Zuschuss der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau, KFW, und mit einem Kredit der Europäischen Investitionsbank, EIB. Es sickert und suppt überall. Nur die Hälfte aller Haushalte ist an teils Jahrhunderte alte Kanäle angeschlossen. Sie sind undicht, überlastet, brüchig, oft verstopft. Haushalts, Gewerbe- und Industrieabwässer verseuchen das Grund- und Quellwasser. Weil es keine Kläranlage gibt, treffen sich sämtliche Abwässer ohnehin in freier Natur wieder. Sobald der Tigris die türkische Südostmetropole passiert hat, ist der Strom so gut wie tot. Was in der Stadt noch unter der Erde stinkend dahin dümpelt, fließt an der Stadtmauer offen in Richtung des Gemüsegartens und verseucht die Ernte. Analye-Einrichtungen fehlen, sagt Korkmaz. Technische Ausstattung und qualifizierte Techniker und Technikerinnen und Verwaltungs-Experten sind im verarmten Südosten der Türkei rar. "Wir wollen nachhaltig arbeiten und brauchen einen Know-how-Transfer vom Westen der Türkei in den Südosten", so Otto Werner Rappold, für die deutsche Seite Projektleiter in Diyarbakir. Die "Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit" (GTZ) unterstützt das Programm im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit rund vier Millionen Mark. Weil man in Diyarbakir beste Fortschritte mache, eruierte eine GTZ-Delegation die Lage in den Städten Erzurum, Batman und Siirt jüngst für weitere Entwicklungsprojekte. "Wenn wir erfolgreich sind, hilft es, die Spannungen in der Region abzubauen", sagt Vizebürgermeister und Ingenieur Bülent Ipek (34), de facto Chef des Modernisierungs-Unternehmens. Dass die deutsche Wirtschafts-und Entwicklungshilfe im kurdischen Südosten der Türkei politisch heikles Terrain betreten hat, weiß man. Gegen Missverständnisse steht ein deutlicher Hinweis: Danach hat Berlin "seit Beginn der technischen Zusammenarbeit 507 Millionen Mark" zugesagt - für Projekte westlich der kurdischen Provinzen. (heg) |