junge Welt, 21.3.2000 400 politische Gefangene hinter Gittern Repression und Widerstand in der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel Anläßlich des 18. März, dem Internationalen Tag der politischen Gefangenen, hatte ein Bündnis von Organisationen verschiedener politischer Spektren am Samstag zu einer Soli- Knastkundgebung vor dem Gefängnis in Hamburg-Fuhlsbüttel, landläufig Santa Fu genannt, aufgerufen. Die Fuhlsbütteler Knäste sind eine traditonsreiche Stätte. Sie existierten bereits im vorigen Jahrhundert. Zur Zeit des Faschismus betrieb die SS an der Stelle, wo heute die Justizvollzugsanstalt (JVA) steht, das berüchtigte Konzentrationslager Fuhlsbüttel. Gleich nach Gründung der BRD wurde hier die JVA eingerichtet. Immer wieder geriet vor allem die Anstalt II in die Schlagzeilen. Repressionen gegen die Gefangenen waren an der Tagesordnung. Heute gilt der Vollzug in Santa-Fu als tendenziell liberal. »Das haben sich die Gefangenen hier selbst erkämpft«, erklärte Jens Stuhlmann, ehemaliger Gefangenensprecher in Santa Fu. »Es hat in Santa-Fu mehrere Aufstände gegeben. Immer wieder haben die Gefangenen sich gegen den Rassismus durch die Leitung und die Bediensteten zur Wehr gesetzt. Außerdem konnte durchgesetzt werden, daß die Knastzeitung Blickpunkt regelmäßig erscheinen kann, auch außerhalb der Gefängnismauern, mit einer Auflage von immerhin 30 000 Stück. Auf der Kundgebung wurde an die historische Bedeutung dieses Tages erinnert. »Der 18. März hatte in der Geschichte der Klassenkämpfe schon mehrfach eine große Bedeutung«, sagte ein Redner und erinnerte an die Barrikaden in Berlin am 18. März 1848 und die Pariser Commune 1871, die für einige Wochen »die Machtfrage für sich entscheiden« konnte. »Bis in die 20er Jahre galt der 18. März innerhalb der Arbeiterbewegung als Tag der Pariser Commune«. Auch deshalb wurde er ab 1923 von der Roten Hilfe als Internationaler Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen begangen. An der Lage der politischen Gefangenen habe sich im Laufe der Zeit nichts geändert. Zur Zeit befänden sich etwa 400 politische Gefangene in den Knästen der BRD, sagte ein Sprecher der Roten Hilfe. Unter ihnen die Gefangenen aus der RAF, denen die ganze Solidarität der Roten Hilfe gelte. Neben den RAF-Gefangenen gebe es viele Inhaftierte aus kämpfenden Bewegungen, beispielsweise aus dem Baskenland, Irland und Palästina. Die überwiegende Zahl der Gefangenen aber käme aus kurdischen und türkischen Organisationen. »Ihnen allen gilt unsere ganze Solidarität. Wir wollen sie draußen haben - jetzt und alle!« Die Kundgebung war von den etwa 60 einsitzenden kurdischen Gefangenen begeistert begrüßt worden. Bilder von Mazlum Dogan, der sich aus Protest gegen die schlechten Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen zum Newroz- Fest 1982 im Gefängnis in Diyarbakir selbst verbrannt hatte, hingen aus den Zellenfenstern. In den vergangenen Jahren war es immer wieder zu Protestaktionen der kurdischen Gefangenen in Santa Fu gekommen. Gegen Abschiebung oder beispielsweise 1996, als bei dem Todesfasten in den türkischen Gefängnissen 16 Gefangene starben. Damals organisierten die kurdischen Häftlinge einen Soli-Hungerstreik, dem sich auch Inhaftierte anderer Nationen anschlossen. Allein in Hamburg werden in der nächsten Zeit etwa hundert Kurden wegen der Proteste im Februar letzten Jahres vor dem Kadi stehen. In der kommenden Woche beginnt der Prozeß gegen die jugendlichen Besetzer der SPD-Zentrale in Hamburg vom 17. Februar 1999. Außerdem begann am Montag ein Prozeß gegen acht Männer, die sich wegen angeblicher Spendengelderpressung für die PKK verantworten müssen. Birgit Gärtner |