junge Welt, 24.03.2000 Recht ade UNO-Charta, NATO-Vertrag und Grundgesetz außer Kraft gesetzt Ein Jahr nach dem Beginn des Krieges der NATO gegen Jugoslawien ist klarer denn je: Dieser Krieg war eine völkerrechtswidrige Aggression gegen einen souveränen Staat. Er war eine eklatante Verletzung des Gewaltverbots in Art. 2 Ziff. 4 der UN-Charta. Die »Luftschläge« der NATO waren weder durch Beschlüsse des Sicherheitsrats nach Kapitel VII der Charta noch durch das Selbstverteidigungsrecht in Art. 51 gerechtfertigt. Solche Beschlüsse lagen nicht vor, und Jugoslawien hat keinen anderen Staat angegriffen. Durch diesen Krieg wurde sogar der NATO-Vertrag mißachtet, der dieses Militärbündnis in Art. 1 auf die Charta verpflichtet und seinen Aktionsbereich in Art. 5 auf Verteidigung gegen einen Angriff auf einen NATO-Staat begrenzt. Die Ausdehnung dieses Aktionsbereichs durch das während des Krieges verkündete Neue Strategische Konzept der NATO auf globale »Interessenverteidigung« - wenn es sein muß, auch ohne Mandat des Sicherheitsrats - ist völkerrechtswidrig. Die aktive Teilnahme der Bundeswehr an dem Aggressionskrieg war darüber hinaus eine Verletzung des Zwei-plus-vier-Vertrags, in dem sich die zwei deutschen Staaten verpflichtet haben, »daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird« und »daß das vereinigte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen«. Die Beteiligung am Krieg war Verfassungsbruch, denn nach Art. 87a GG ist der Einsatz der Bundeswehr außer zur Verteidigung nur gestattet, »soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt«. Eine ausdrückliche Zulassung von Einsätzen entgegen der Charta und entgegen dem NATO-Vertrag ist im Grundgesetz nicht zu finden. Mit der Teilnahme am Krieg wurde Art. 25 GG verletzt, wonach die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind und den Gesetzen vorgehen. Das Gewaltverbot der Charta ist eine solche allgemeine Regel des Völkerrechts. Art. 26 Abs. 1 GG erklärt »Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten« für verfassungswidrig und strafbar. Wenn in diesem Punkt in diesem Land die Rechtsstaatlichkeit obsiegen würde, müßten die Verantwortlichen nach õ 80 des Strafgesetzbuches zur Verantwortung gezogen werden. Im Verlauf des Krieges wurden verbindliche Regeln der Kriegführung durch die NATO massiv verletzt, vor allem die Haager Landkriegsordnung von 1907, die Genfer Abkommen von 1949 und das Zusatzprotokoll 1 von 1977. Der Zivilbevölkerung, die unter den Schutz dieser Regeln gestellt ist, wurde ohne Rücksicht auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit unermeßliches Leid zugefügt. Ein Jahr nach dem Krieg muß festgestellt werden, daß die angeblichen Kriegsziele der NATO nicht erreicht worden sind. Im Kosovo herrschen unter den Augen der KFOR menschenrechtswidrige und bürgerkriegsähnliche Zustände. Von Gleichberechtigung der Ethnien und dem Ende der Vertreibungen kann nicht die Rede sein. Wenn es eines Beweises bedurft hat, daß Menschenrechte in einem Land nicht durch militärische Gewalt von außen zwangsweise durchgesetzt werden können, dann haben ihn der Krieg und die Nachkriegszeit erbracht. Das gilt für militärische Gewalt mit und ohne Beschluß des Sicherheitsrates. Das Kapitel VII der Charta darf nicht zum Einfallstor für die Legitimierung von gewaltsamen Interventionen der Großmächte gegen andere Staaten werden. Vorstand der Vereinigung demokratischer Vereinigung demokratischer Juristen e.V. *** Vereinigung demokratischer Juristen e.V., Rechtsanwalt Gerd-Peter Junge Palisadenstraße 40 10243 Berlin Telefon 030-42780353 Fax 030-42780857 Email: kanzlei@grehn-kollegen.de (Aus unserer 16seitigen Beilage gegen den NATO-Krieg) |