Westdeutsche Zeitung, 29.3.2000 Europäischer Menschengerichtshof verurteilt Türkei erneut Straßburg (dpa) - Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Türkei zum wiederholten Mal wegen unmenschlicher Behandlung und nachlässiger Justizermittlungen im Fall von zwei Kurden verurteilt. In dem Urteil des Gerichtshofes von Dienstag in Straßburg wurde den Brüdern von zwei ermordeten Kurden eine Entschädigung von jeweils 17 500 britische Pfund (56 000 Mark) zugesprochen. In dem einen Fall war ein Arzt im Februar 1993 in der Nähe der Ortschaft Tunceli erschossen aufgefunden. Die Tatsache, dass der Tote längere Zeit gefesselt unter Wasser gelegen hatte, wertete der Gerichtshof als unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinn des Artikels drei der Menschenrechtskonvention über das Verbot der Folter. Auch wenn türkische Sicherheitskräfte die Misshandlungen nicht selbst begangen haben, so sei der Staat dennoch dafür verantwortlich, da er die gewalttätigen Elemente nicht kontrolliere, hieß es in der Urteilsbegründung. Der türkische Staat habe außerdem seine Pflicht auf Schutz des Lebens verletzt. Der Arzt, der auch Angehörige der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) pflegte, war dadurch einem besonderen Risiko ausgesetzt. Im zweiten Fall wurde ein Journalist der prokurdischen Zeitung Özgür Gündem im Kurdengebiet der Türkei im Februar 1993 von Unbekannten erschossen. Kurz vor seinem Tod hatte er die Behörden um besondere Schutzmaßnahmen gebeten. Die Straßburger Richter kamen auch in diesem Fall zu dem Schluss, dass die türkischen Behörden gegen ihre Pflicht verstoßen haben, das Leben des Mannes zu schützen. Ferner hätten die Justizbehörden es versäumt, diesen Mordfall gründlich aufzuklären.
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