taz Hamburg, 29.3.2000 "Alle haben es getan" Angestellte der Ausländerbehörde, die Flüchtlinge wegverteilten und dafür gefeuert wurden, beschuldigen KollegInnen und Vorgesetzte Von Elke Spanner Sie sagen, alle hätten es getan. Sie sagen es aber nicht, weil sie im nachhinein erschüttert darüber sind, dass sie ihre Aufgabe im sys-tematischen Abweisen von Flüchtlingen sahen. Sie sagen es, weil sie sich nicht als TäterInnen, sondern als "Bauernopfer" fühlen. Denn sie haben eine fristlose Kündigung bekommen, weil sie per Computer Flüchtlinge aus Hamburg wegverteilten, die in der Hansestadt hätten untergebracht werden müssen. Dabei "haben das alle gemacht, über Jahre", beharrt Renate S. Der Richter, der bei Eröffnung des Arbeitsgerichtsverfahrens glaubte, nur über die formelle Wirksamkeit von Kündigungen verhandeln zu müssen, stellt fest: "Das scheint ganz andere Dimensionen anzunehmen." 450 Fälle sind im November 1999 aufgeflogen. Seit Mai, so der Vorwurf, hätten die SachbearbeiterInnen Renate S., Angelika D. und Kerstin K. Flüchtlinge aus Burkina Faso in andere Bundesländer geschickt. Das räumen sie ein: "Wir wollten den Hamburger Haushalt entlasten." Sie gestehen sogar, das schon sehr viel länger, nämlich seit Einführung des bundesweiten Verteilersystems EASY 1993 getan zu haben. Aber eben nicht nur sie allein. "Wir wussten alle, dass für Asylbewerber wahnsinnig viel Geld ausgegeben wird", so Renate S. gegenüber der taz. Wenn der bundesweit vernetzte Computer anzeigte, dass jemand in Hamburg bleiben müsse, hätten sie es noch mal probiert. So oft, bis auf dem Bildschirm ein anderes Aufnahmeland stand. Manchmal hätten sogar Vorgesetzte die Anweisung gegeben: "Versuch' es so lange, bis er weg ist." Schwere Vorwürfe erheben die drei auch gegen die Leitungsebene der Ausländerbehörde: Die Manipulationen seien offensichtlich gewesen. Doch die Amtsleiter hätten sie erst gestoppt, als das Nürnberger Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge aufmerksam geworden sei. Verwaltungschef Frank Quester sagt, er habe erst im November von dem Verdacht erfahren. Ein Unrechtsbewusstsein hatten die SachbearbeiterInnen nicht. Zum einen, "weil wir wussten, dass Asylbewerber uns angelogen haben. Da wollten wir sie nicht auch noch belohnen und in Hamburg lassen", sagt Angelika D.. Zum anderen wollte sie nicht "unkollegial sein". Trotzdem würden sie nun von den ehemaligen KollegInnen gemieden. NestbeschmutzerInnen seien sie, gab eine damalige Mitarbeiterin ihnen zu verstehen, weil sie die anderen mit reingerissen hätten. Tatsächlich ermittelt die Ausländerbehörde gegen weitere SachbearbeiterInnen. Ein Beamter wurde versetzt, gegen ihn laufen Vorermittlungen zum Disziplinarverfahren. Eine andere Beamtin wird noch überprüft. Zudem "untersuchen wir, ob es 1997 und 1998 Verfehlungen gab", sagt Behördensprecher Peter Keller. Die Regenbogen-Abgeordnete Susanne Uhl versucht nun durch eine kleine Senatsanfrage zu erfahren, welche Arten von Statistiken die Ausländerbehörde über die Aufnahme von Flüchtlingen führt - und wer darauf Zugriff hat.
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