Frankfurter Rundschau, 29.3.2000 Menschenrechtler wieder in Haft Türkisches Amt lehnte weitere Haftverschonung für Birdal ab Von Gerd Höhler ATHEN, 28.März. Der frühere Vorsitzende der türkischen Menschenrechts-Vereinigung, Akin Birdal, ist seit Dienstag wieder in Haft. Er muss noch sechs Monate einer einjährigen Haftstrafe verbüßen, zu der ihn ein Gericht im Juni 1999 verurteilt hatte. Die Richter stellten damals fest, ein Aufruf Birdals zur friedlichen Lösung der Kurdenfrage erfülle den Tatbestand der "Volksverhetzung". Im September vergangenen Jahres wurde Birdal aus gesundheitlichen Gründen Haftverschonung gewährt. Der Menschenrechtler ist auf ständige medizine Betreuung angewiesen, seit er 1998 bei einem Mordanschlag rechtsextremer Attentäter lebensgefährlich verletzt wurde. Ein neuer Antrag auf Haftverschonung sei abgelehnt worden, sagte Birdal am Dienstag bei seiner Rückkehr ins Gefängnis. Den Vorsitz der Menschenrechts-Vereinigung hatte er 1999 auf Druck der Behörden abgegeben. Birdals Rückkehr ins Gefängnis fiel mit dem Ankara-Besuch mehrerer europäischer Politiker zusammen, die die türkische Regierung aufforderten, mehr zur Einhaltung der Menschenrechte zu tun. Eine Abordnung der Sozialisten im Europa-Parlament hatte am Montag mit dem türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit gesprochen; eine Delegation des Europarats macht sich zur Zeit bei einem Besuch des türkischen Südostens ein Bild von der Lage der Kurden, wie Agenturen berichteten. Der griechisch-stämmige Europa-Abgeordnete Jannis Sakellariou (SPD) verurteilte die neuerliche Verhaftung Birdals. Der Vorgang zeige "leider, dass die Türkei von einer Aufnahme in die EU noch weit entfernt" sei. Das Gerichtsurteil gegen Birdal stützte sich auf Reden des Menschenrechtlers in den Jahren 1995 und 1996. Er erfüllte nach Ansicht des Gerichts den Straftatbestand der Volksverhetzung, weil er zwischen Türken und Kurden unterschied. Birdal steht zudem im Verdacht, enge Kontakte zu Kreisen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu unterhalten. Birdal ist Träger des Menschenrechtspreises der deutschen Sektion von Amnesty International.
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