Die Welt, 29.3.2000 Saddams Sohn Udai drängt an die Macht 99,99 Prozent der Stimmen erreicht der 34-Jährige bei den irakischen Parlamentswahlen Von Dietrich Alexander Berlin - Zittern um den Einzug ins irakische Parlament musste er nicht, der Udai. Noch bevor die Stimmen bei der irakischen Parlamentswahl ausgezählt waren, vermeldete die Zeitung "Al Ittihad", dass der älteste Spross des irakischen Diktators Saddam Hussein mit glorreichen 99,99 Prozent der Stimmen ins Parlament gewählt worden sei. Der Andrucktermin der Zeitung lag zwar weit vor der ersten Hochrechnung, aber im Irak macht das nichts. Bei der Parlamentswahl vom Montag hatten sich 512 Kandidaten um 220 Sitze beworben. Alle Bewerber gehören dabei entweder der regierenden Baath-Partei an oder stehen ihr nahe. Die Opposition war gar nicht erst zugelassen worden - Wahlen auf Irakisch. In Bagdad wird damit gerechnet, dass Udai der nächste Parlamentspräsident wird, ein Posten, der in der irakischen Staatshierarchie gleichrangig mit dem eines Ministerpräsidenten ist. Sollte es so kommen, wird Udai im irakischen Machtpoker ein gewichtiges Wort mitreden. Ob die Begeisterung für den 34-jährigen Saddam-Sohn im Volk wirklich so überwältigend ist, muss bezweifelt werden. Denn der Sohn kommt ganz nach seinem Vater: Er ist ein brutaler Tyrann, der die Gewalt verherrlicht und seiner Willkür freien Lauf lässt. Mindestens vier Menschen hat der seelisch instabile Mann bislang ermordet. 1988 - da war Udai Hussein 22 Jahre alt - schlug er den Vorkoster und Mundschenk seines Vaters in einem Wutanfall mit einem Stock tot. Die darauf folgende Gefängnisstrafe erließ der Vater seinem geliebten Kronprinzen. Damals war er es noch, inzwischen ist der jüngere Bruder Kusai des Vaters Favorit für seine Nachfolge. 1994 schoss Udai seinem Stiefonkel ins Bein, auf einer Party. Wahrscheinlich ging es damals hoch her, und der Alkohol floss in Strömen, denn Udai kontrolliert so ganz nebenbei auch den gesamten Whisky-, Zigaretten- und Benzinschmuggel. Die daraus erwachsenden Devisen finanzieren zu einem guten Teil den aufwendigen Lebensstil der Husseins. Ein Jahr später legte er auch mit Hand an, als es darum ging, den abtrünnigen Schwiegersohn Saddams, Hussein Kamel, zu maßregeln. Der hatte es gewagt, sich gemeinsam mit einer Tochter von Saddam Hussein nach Jordanien abzusetzen. Ihm wurde Straffreiheit zugesichert, sollte er freiwillig wieder nach Bagdad zurückkehren. Er kam zurück, doch aus der Straffreiheit wurde nichts. Die Saddam-Söhne fanden eine andere, eine finale Lösung. Seine Dreistigkeit wurde Udai im Dezember 1996 fast zum Verhängnis: Zwei Männer leerten durch ein geöffnetes Wagenfenster die Magazine ihrer Maschinenpistolen. Udai, der im Fond des Wagens saß, trafen mehrere Geschosse im Unterleib. Seitdem ist er gehbehindert. Bis dahin hatte Udai sich immer wieder an jungen Frauen vergriffen, der Anschlag war offenbar die Rache für die Schändung einer jungen Irakerin. Udai bekleidet mehrere dekorative Ämter: Präsident des irakischen Olympischen Komitees, des Dachverbandes der irakischen Kulturschaffenden, der Journalistenunion und des Studentenverbandes. Udai unterhält private Gefängnisse, wo er schon mal die irakische Fußball-Nationalmannschaft nach einer Niederlage verprügeln lässt. Während das Volk unter den UN-Sanktionen leidet, nennt der Autonarr geschätzte 1300 Fahrzeuge sein Eigen. "Udai ist ein Verrückter", sagt Latif Yahia, der als Double des Saddam-Sohnes fünf Jahre lang Angriffe auf sich zog. Er flüchtete aus dem Irak und schrieb ein Buch: "Ich war Saddams Sohn". "Es gibt viele, die den Tod Udais wünschen. Ihn hassen die Menschen mehr als seinen Vater."
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