Stuttgarter Zeitung, 29.3.2000 ¸¸Wir meinen es mit der Abschiebung ernst'' Thomas Schäuble Trotz wachsender Kritik von Wirtschaft und Kommunen: Baden-Württembergs CDU-Innenminister will Bosnier und Kosovaren weiter konsequent ausweisen, auch wenn darunter manche wichtige Arbeitskraft ist.Herr Schäuble, trotz wachsender Kritik will Baden-Württtemberg weiter auch solche - vor allem bosnische - Flüchtlinge abschieben, die als unverzichtbare Arbeitskräfte gelten. Warum so rigoros? Wir sind schon seit Jahren konsequent in der Rückführung. 90 Prozent der bosnischen Flüchtlinge sind wieder in ihrer Heimat. Und es gibt keinen Grund, an dieser Linie etwas zu ändern. Wir haben immer gesagt: Wir helfen während des Bürgerkriegs, aber danach müssen die Menschen zurück. Aber auch in Ihrer eigenen Partei wächst der Widerstand. Singens OB Andreas Renner will zum Beispiel wichtige Arbeitskräfte im Land lassen. Andreas Renner hat zu mir gesagt, er habe das nicht als Kritik an der Landesregierung gemeint, sondern am Green-Card-Beschluss Schröders, der in seinen Augen ein Schnellschuss ist. Renners Position ist die: Wenn man der Großindustrie hilft, darf man den Mittelstand nicht vernachlässigen. Grundsätzlich ist er aber gegen Green Cards. Die Situation erscheint doch aber widersprüchlich: Die Wirtschaft ruft nach Green Cards, gleichzeitig schiebt das Land wichtige Arbeitskräfte ab. Das ist ja nicht wahr. Wir haben in zahlreichen Fällen durch eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis geholfen. In erster Linie ist hier aber das Landesarbeitsamt zuständig: Erst wenn es im Einzelfall bescheinigt, dass die Arbeitskraft unverzichtbar ist und ein Bleiben im öffentlichen Interesse ist, können die Ausländerbehörden die Aufenthaltsgenehmigung verlängern. Das heißt, vieles hängt vom Verhalten der Behörden im Einzelfall ab. Ich habe schon bei der Diskussion um die Green Cards gesagt: Man kann hier heute schon ohne zusätzliche Regelungen helfen. Niemand hat etwas dagegen, wenn die Genehmigungspraxis im Einzelfall etwas geschmeidiger, effizienter und unbürokratischer wird. Wie viele der rund 5500 bosnischen Flüchtlinge, die noch hier sind, gelten denn als wichtige Arbeitskräfte? Ein großer Teil arbeitet. Und wie sieht es bei den rund 47000 Flüchtlingen aus dem Kosovo aus? Auch hier gibt es einige Arbeitskräfte, aber nach dem, was ich höre, ist der Prozentsatz an Sozialhilfeempfängern bei ihnen deutlich höher. Die Rückführung der Kosovaren hat vergangene Woche offiziell begonnen. Glauben Sie wirklich, dass alle wie geplant noch in diesem Jahr zurückkehren? Auf Grund der bisherigen Erfahrungen wird das wohl einige Zeit dauern. Und wir werden zumindest in der Anfangszeit verstärkt abschieben müssen, damit allen klar ist: Wir meinen es wirklich ernst. Übrigens: Jede Diskussion, die den Kosovaren einen anderen Eindruck vermittelt, wird die Rückkehrbereitschaft massiv beeinträchtigen. Ihre Partei fordert, das Grundrecht auf Asyl durch eine institutionelle Garantie zu ersetzen. Was soll das bringen? Da zuletzt rund eine halbe Million Menschen pro Jahr nach Deutschland gekommen sind, brauchen wir zumindest derzeit keine weitere Zuwanderung. Wer die Zuwanderung nicht erhöhen, aber besser steuern will, muss deshalb erst einmal die Löcher schließen, durch die die Leute uneingeladen zu uns kommen. Das ist die Position der CDU. Das dürfte aber viele rechtliche Probleme aufwerfen. Das ist sicher richtig. Zudem glaube ich nicht daran, dass es für eine Grundgesetzänderung in absehbarer Zeit eine politische Mehrheit gibt. Meines Erachtens ist das eine Schimäre. Es mag sein, dass es im Zuge einer europäischen Harmonisierung eines Tages so weit kommt. Das wäre wirklich ein Segen. Aber das steht derzeit völlig in den Sternen. Fragen von Rainer Wehaus
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