Tagesspiegel, 30.3.2000 Studie geplant Das Leben der türkischen Berliner wird genauer erforscht. Das Zentrum für Türkei-Studien hat jetzt ein Büro in der Stadt jago Schon die Gästeliste ließ keinen Zweifel daran, dass das Essener Zentrum für Türkeistudien (ZfT) unter Leitung des Professors Faruk Sen inzwischen zu einem der renommiertesten Institute der Republik geworden ist: Neben zahlreichen prominenten Gästen aus Politik und Wirtschaft hatte auch Bundespräsident Johannes Rau zur gestrigen Eröffnung der Berliner Außenstelle sein Kommen angekündigt. Damit verfügt das Zentrum nun im Tiergartener Botschaftsviertel auch über ein offizielles Standbein in Berlin. Bereits seit dem vergangenen Oktober arbeiten dort drei Mitarbeiter des ZfT. Im Zuge des Regierungsumzugs "war es auch für uns wichtig, hier tätig zu werden", erläutert Thomas Sack, einer der Berliner Mitarbeiter, die Gründung der Außenstelle. Schließlich, so Sack, werde im Zeitalter immer intensiver werdender Debatten über Integrationspolitik einerseits und eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union andererseits ein enger Kontakt des Zentrums zu Parteien und Regierung zunehmend wichtiger. Erste Aktivitäten entfaltete das ZfT bereits in den vergangenen Monaten in Berlin. So fanden insbesondere mehrere Veranstaltungen zu einer Aufnahme der Türkei in die EU sowie zur Schwarzmeerkooperation statt. Unter dem Titel "Berliner Runde" sollen regelmäßig stattfindende Dialoge zwischen Politik, Wirtschaft und anderen Expertengruppen zu brisanten deutsch-türkischen Themen in Berlin eingeführt werden. Einer der Schwerpunkte dürfte über die kommenden Jahre das Verhältnis der Türkei zur EU sein. Doch auch dem Leben der türkischen Berliner wolle man sich intensiver widmen, kündigte Sack an. Bereits in Arbeit sei eine Studie über die wirtschaftliche Entwicklung der türkischen Unternehmen in Berlin. "Auch für die Migrationsforschung ist der Berliner Standort natürlich ideal", sagt Sack. Das 1985 an der Universität Essen gegründete ZfT beschäftigt sich mit religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der Türkei und in Deutschland. Ziel der Arbeit ist es vor allem, den Wissensstand über türkische Migranten sowie über die Türkei zu erhöhen. Im Angebot sind aber auch Seminare zur interkulturellen Kommunikation für Führungskräfte wie auch für Sozialarbeiter. Das ZfT veröffentlichte mehrere auch in der deutschen Integrationspolitik viel beachtete Studien. Eine der am häufigsten zitierten Untersuchungen der vergangenen Jahre beschäftigt sich mit dem Medienverhalten der türkischen Bevölkerung in Deutschland. In der Studie wurde auch deutliche Kritik an der Staatsnähe sowie an nationalistischen Tendenzen seitens der türkischen Medien laut. Das Institut ist unabhängig; zu den Trägern gehören unter anderen die Ministerien für Bildung und Arbeit.
|