Stuttgarter Nachrichten, 1.4.2000

Aus versuchtem Mord wird versuchte Brandstiftung

Staatsanwaltschaft rudert im Fall des PKK-Brandanschlags auf ein Gebäude an der Neckarstraße zurück

Der Prozess gegen sechs junge PKK-Sympathisanten hat eine überraschende Wendung genommen: Die Anklage lautet nun nicht mehr auf 17fachen versuchten Mord, sondern nur noch auf versuchte schwere Brandstiftung.

VON GEORGE STAVRAKIS

Offenbar haben die Aussagen der sechs 16- bis 22-jährigen Angeklagten und die Ergebnisse der Gutachter die Staatsanwaltschaft dazu veranlasst, den Vorwurf abzumildern. Neben der versuchten schweren Brandstiftung wird den fünf jungen Männern und dem 18-jährigen Mädchen wegen des Einsatzes von sechs Molotowcocktails ein Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last gelegt.

Doch auch diese Anklage geht den Anwälten der PKK-Sympathisanten zu weit. Stellvertretend für seine Kollegen plädiert Thomas Fischer vor der 7.Strafkammer des Landgerichts lediglich auf Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Waffengesetz. ¸¸Hätte die Gruppe das Haus wirklich in Brand stecken wollen, wäre sie anders vorgegangen'', so Fischer. An der der Neckarstraße zugewandten Seite des Gebäudes befinden sich mehrere große Fenster. Die hätten potenzielle Brandstifter erst eingeschlagen, dann die Brandsätze ins Innere geschleudert. ¸¸Aus der kurzen Entfernung wäre es auch kein Problem gewesen, wenigstens mit einem der sechs Benzinflaschen eines der Fenster zu treffen'', so Fischer weiter. Tatsächlich hatten die Molotowcocktails nur geringen Schaden angerichtet. Die Fassade wurde teilweise geschwärzt, ein Briefkasten in Mitleidenschaft gezogen.

¸¸Brandsätze sind kein Mittel der politischen Auseinandersetzung'', so ein anderer Anwalt. Aber die Angeklagten hätten in den neun Monaten Untersuchungshaft ihre Lektion gelernt. Die Verteidiger forderten höchstens Bewährungsstrafen.

Der Anschlag war eine Reaktion auf das Todesurteil gegen den Kurdenführer Abdullah Öcalan am 29.Juni 1999. Damals kam es im Großraum Stuttgart zu zahlreichen Protestaktionen von Kurden. Eine war die Attacke der sechs Angeklagten auf das Gebäude an der Neckarstraße 162. In der Nacht auf den 1.Juli hatte sich das Sextett in der Wohnung eines der Angeklagten in Plochingen getroffen und Brandsätze gebastelt. Danach machten sich drei Angeklagte in einem VW Golf auf den Weg nach Stuttgart, wo sie sechs der ursprünglich sieben ¸¸Mollis'' gegen das Gebäude schleuderten. Bereits auf der Flucht zurück nach Plochingen wurden sie von einer Polizeistreife gestellt. Der penetrante Benzingeruch im Auto ließ die Beamten die richtigen Schlüsse ziehen. Die Täter aus Plochingen, Stuttgart, Göppingen, Hannover und Dänemark wurden verhaftet.

Am kommenden Freitag will die 7.Strafkammer das Urteil verkünden.