junge Welt, 01.04.2000 NATO auf der Anklagebank Tribunal gegen westliche Militärs und Politiker in Belgrad. Aggression gegen Jugoslawien verurteilt Am Mittwoch ging in Belgrad die zweitägige Sitzung des internationalen Tribunals über die Verbrechen der NATO in Jugoslawien zu Ende. Kernpunkt der Beratungen waren die Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung. Nach Veröffentlichung der bisherigen Ermittlungsergebnisse sowie der Anhörung mehrerer Zeugen und der Verteidigung verlasen Richter aus 19 Ländern die Anklage gegen die westliche Militärallianz. Namentlich 14 NATO-Vertreter wurden der Verbrechen gegen den Frieden, militärischer Verbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit angeklagt - wenn auch nur symbolisch. »Die Welt begann das dritte Millennium mit Bomben und Raketen auf Jugoslawien. Der Widerhall dieser Explosionen wird für eine lange Zeit im Gedächtnis von Millionen Menschen weltweit bleiben und ihr Bewußtsein wecken«, erklärte Dr. Michail Kuznejkow, Professor an der Moskauer Universität und Präsident des Tribunals, in seiner Eröffnungsrede am Dienstag. Alle angeklagten NATO- Militärs und Staatschefs seien aufgefordert worden, am Tribunal in Belgrad teilzunehmen. Auch Carla del Ponte, die Chefanklägerin des Internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, sei eingeladen worden, als Beobachterin in die jugoslawische Hauptstadt zu kommen, sagte Kuznejkow. Doch niemand von ihnen zeigte sich in Belgrad. Während der zwei Tage dauernden Sitzung zählte der Chefankläger des Tribunals, Dr. Velko Velikanow aus Bulgarien, systematisch alle internationalen Gesetze und Konventionen auf, die die NATO mit der Bombardierung Jugoslawiens verletzte. Hinzu kamen die Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, die das westliche Militärbündnis und dessen Planungschefs begingen. Nicht vergessen wurden die Länder, die mit den Aggressoren kollaborierten, namentlich Kroatien, Ungarn und Bulgarien. »Die Brutalität in der Anwendung von Gewalt während der NATO-Aggression kann durchaus verglichen werden mit den faschistischen Methoden der totalen Zerstörung sowie der Bombardierung von Dresden und den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki 1945«, erklärte Velikanow. »Die von der NATO in Jugoslawien begangenen Verbrechen waren für den Westen notwendig, um jedermann seine neue Weltordnung aufzudrängen.« Dem Tribunal zufolge wurde im Krieg gegen Jugoslawien deutlich, daß es sich bei der NATO um eine verbrecherische Organisation handelt. An die Regierungen der NATO-Staaten erging die Aufforderung, das Militärbündnis sofort zu verlassen. Die UNO wurde ermahnt, umgehend eine Resolution zu verabschieden, die die NATO-Aggression gegen Jugoslawien verurteilt, und über die sofortige Abberufung des UN-Generalsekretärs Kofi Annan zu beraten. Die NATO- Staaten wurden aufgefordert, finanziell für die Kriegsschäden in Jugoslawien aufzukommen. Das Haager Tribunal wurde an seine Pflicht und Möglichkeit erinnert, NATO-Verbrecher vor Gericht zu stellen. Nachdrücklich gewarnt hat die Versammlung in Belgrad vor den illegalen Aktivitäten der USA und der NATO nach dem 10. Juni 1999. Diese fänden nun im Kosovo unter dem Deckmantel einer Friedensmission der Vereinten Nationen statt. Neben den jugoslawischen Experten nahmen an dem Belgrader Tribunal Fachleute unter anderem aus Rußland, Deutschland, Georgien, der Ukraine, Mexiko, Polen und Afghanistan teil. In den kommenden Wochen soll die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Tribunal mit Sitz in Berlin und dem von Ramsey Clark initiierten Internationalen Tribunal in New York intensiviert werden. Tanja Djurovic, Belgrad
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