junge Welt, 03.04.2000 Interview jW fragte Stephan Stracke, Sprecher des Unterstützerkreises Kirchenzuflucht der Gemarker Kirche in Wuppertal F: Am heutigen Montag werden kurdische Flüchtlinge aus dem Wanderkirchenasyl vor den Werkstoren des Unternehmens Krauss-Maffei/Wegmann in Kassel demonstrieren. Warum gerade vor diesem Werk? Die Demonstration findet in Anlehnung an die Bewegung der »sans apiers« (»illegale« Flüchtlinge) in Frankreich unter der Parole statt »Wir sind hier, weil ihr unser Land zerstört«. Die kurdischen Flüchtlinge wollen auch im Zusammenhang der Leopard-2-Panzerlieferung und der Vertreibung und ihrer Flucht nach Deutschland protestieren. Krauss- Maffei/Wegmann ist ein Hauptproduzent des Leopard-2- Panzers. Es gibt viele Zuliefererfirmen, aber das ist das Hauptwerk, und in diesem Werk werden die Panzer auch montiert. Und wir werden auch genau da stehen und demonstrieren, wo die Panzer quasi schon exportfertig stehen. F: Zeitgleich besucht Bundespräsident Johannes Rau die Türkei. Existieren Ihrerseits Erwartungen an Rau? Dieser Besuch findet in der Öffentlichkeit und in den Medien keine große Beachtung. Es gibt nur wenige Medienberichte, weil es wegen der Rüstungsexporte und der Menschenrechtslage eine heikle Situation ist. Wir wollen genau an diese Situation erinnern und die Flüchtlinge aus Wuppertal haben dabei einen besonderen Bezug zum Bundespräsidenten. Johannes Rau ist aus Wuppertal und war in der Gemarker Kirche lange Jahre aktiv. Er hat dazu einen sehr persönlichen Bezug. Die Kirche bezieht sich auch sehr stark auf die Tradition des Widerstandes gegen die Nazis. F: Denken Sie, daß Johannes Rau das Thema der Menschenrechte in der Türkei ansprechen wird? Ich denke, der Zeitpunkt, um die Menschenrechtslage zu thematisieren, paßt ihm nicht. Herr Schröder hat seinen Türkei-Besuch ja abgesagt. Ursprünglich sollte der einen Monat vorher laufen. Wir wollen den Türkei-Besuch zumindest von unserer Seite mit dem Zusammenhang Abschiebung und Panzerlieferungen thematisieren. Vor der Panzerfabrik. Wir denken, daß es zur Zeit keinen anderen Ort gibt in der BRD, wo die Parole der Flüchtlinge »Wir sind hier, weil ihr unser Land zerstört« deutlich wird. F: Aus wie vielen Kirchen erwarten Sie die Flüchtlinge? Aus mehreren Orten. Sie kommen aus Wuppertal, aus Bielefeld, aus Köln, Aachen und Oberhausen. F: Besteht für die kurdischen Flüchtlinge aus dem Kirchenasyl eine Gefahr, wenn sie sich aus der Kirche herausbegeben und an der Demonstration teilnehmen? Wir wissen nicht in allen Fällen, wie der Status der Flüchtlinge definiert ist, die an der Demonstration teilnehmen. Wir haben das diskutiert, wie groß die Gefährdung der Flüchtlinge ist. Wir denken, daß jeder für sich entscheiden sollte, ob er an der Demonstration teilnimmt. Ein Großteil der Flüchtlinge hat aber eine kurzfristige Duldung. F: Die Demonstration sollte verboten werden. Mit welcher Begründung? Es wurde sehr pauschal erklärt, daß aus dem Wanderkirchenasyl kurdische illegale Flüchtlinge kämen und diese Mitglieder der PKK seien. Deswegen dürfe wegen der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in Kassel nicht demonstriert werden. Das sagten Polizei und Ordnungsamt in Kassel. Vor dem Verwaltungsgericht hatte diese Pauschalisierung aber keinen Bestand. Interview: Christian Kliver
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