Frankfurter Rundschau, 3.4.2000 "Europa muss mit einer Stimme sprechen" Im Gespräch: Zyperns Außenminister Jannakis Kassoulidis fordert Druck der EU auf die Türkei Die griechischen Zyprer hoffen immer noch auf eine Teilnahme der türkischen Volksgruppe an den EU-Beitrittsgesprächen. Den Beitritt seines Landes zur Europäischen Union hält Zyperns Außenminister Jannakis Kassoulidis aber auch für möglich, wenn die Teilung der Insel bis dahin nicht überwunden werden kann. Die EU-Staaten müssten jetzt die Türkei in die Pflicht nehmen, sagte Kassoulidis im Gespräch mit FR-Korrespondent Gerd Höhler in Nikosia. Zu einer Teilnahme an den bereits recht weit fortgeschrittenen EU-Beitrittsverhandlungen versuchte die Zyperntürken vergangene Woche auch der Brüsseler Erweiterungskommissar Günter Verheugen zu überreden. Doch deren Führer Rauf Denktasch blieb hart. Er verlangt separate Verhandlungen mit seiner 1983 einseitig ausgerufenen "Türkischen Republik Nordzypern" (KKTC). Das wiederum lehnen die EU und die griechischen Zyprer ab. Sie erkennen die Denktasch-Republik nicht an. "Wir wünschen uns weiterhin eine Mitarbeit der türkischen Volksgruppe in der zyprischen Verhandlungsdelegation", sagte Kassoulidis der FR in Nikosia. Das wäre "ein großer Schritt nach vorn", meinte der Minister. Viel Hoffnung, dass sich die Inseltürken doch noch an den Gesprächen beteiligen, hat Kassoulidis aber nicht. Zypern ist gespalten, seit türkische Truppen im Sommer 1974 den Nordteil besetzten, um eine befürchtete Annektierung der Insel durch die damals in Athen regierende Obristenjunta zu verhindern. Griechische und türkische Zyprer verhandeln seit dem vergangenen Dezember über eine neue Verfassungsordnung. Wenn diese Gespräche fruchtlos blieben und die Teilung fortbestehen würde, hält Kassoulidis einen EU-Beitritt für besonders dringlich. "Ihn zu verzögern, wäre ein falsches Signal", warnte der Minister; es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Türkei könne den Beitritt Zyperns blockieren. Eher skeptisch bewertet Kassoulidis die Erfolgsaussichten der für Ende Mai bei den Vereinten Nationen in New York angesetzten dritten Runde der Zypern-Vermittlungsgespräche. Dem türkischen Volksgruppenführer wirft er vor, die Verhandlungen mit Vorbedingungen zu blockieren. "Herr Denktasch muss nun Farbe bekennen", forderte der Minister. "Wenn wir jetzt keine Ergebnisse produzieren, wird das ganze Verfahren unglaubwürdig". Während die Inselgriechen auf einen aus zwei Zonen bestehenden Bundesstaat hinarbeiten, favorisiert Denktasch einen lockeren Staatenbund. Er verlangt vor direkten Gesprächen auch die völkerrechtliche Anerkennung seiner KKTC, eine Forderung, die Kassoulidis als "absurd" bezeichnet. Schließlich verhandele man mit dem Ziel, die Teilung Zyperns zu überwinden; da mache es "keinen Sinn, zuerst einen Schritt zurückzugehen und die Spaltung zu legalisieren", sagte der griechisch-zyprische Außenminister. An die EU-Staaten appellierte Kassoulidis, in der Zypernfrage "mit einer Stimme" zu sprechen und die Türkei an die Verpflichtungen zu erinnern, die sich aus dem in Helsinki vereinbarten Kandidatenstatus für sie ergeben. Das müsse "der Hebel sein". Kassoulidis: "Es ist nicht einzusehen, dass sich die EU für die Stabilität auf dem Balkan, im Nahen Osten oder im Kaukasus stark macht, Zypern aber ausgespart bleibt-- das kann nicht im Interesse Europas sein!"
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