Frankfurter Rundschau. 05.04.2000 Für die Rechten hat Schily nur Ekel übrig Vor allem die Lage in Ostdeutschland bereitet Verfassungsschützern Kopfzerbrechen Der Vorgänger von Innenminister Otto Schily (SPD), der CDU-Politiker Manfred Kanther, richtete seinen Blick bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts gern auf die linke Szene. Dass Schily nun erneut die wachsende Gewaltbereitschaft Rechtsextremer besonders betonte, sei kein politischer Paradigmenwechsel, sondern dringend notwendig, betonen die Autoren des 250 Seiten starken Reports. Die Fakten sprechen für sich: mehr Gewalttaten gegen Ausländer, neue Waffenfunde und Hinweise auf geplante Anschläge sowie eine offene Gewaltdiskussion in der rechtsextremistischen Szene. Zwar machen die Verfassungsschützer unter den Rechtsradikalen noch keine "handlungsfähigen terroristischen Strukturen" für einen "bewaffneten Kampf" aus, wie ihn die Rote Armee Fraktion (RAF) einst propagierte. Nüchtern spricht aber der Bericht immerhin von einer "sich ändernden Bedrohungslage". 9000 Mitglieder zählen die Kölner Verfassungshüter inzwischen in der gewaltbereiten rechten Szene - Tendenz steigend. Für Schily "ein Zeichen von geistiger und seelischer Verwahrlosung". Als Rekrutierungs-Instrument der Rechten gewinne vor allem das Internet immer mehr an Bedeutung: 330 Homepages registrierten die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr - mit Inhalten, so der Innenminister, deren "Ekelhaftigkeit sich kaum noch steigern lässt". Besonders die Entwicklung im Osten, wo 21 Prozent der Deutschen wohnen, aber mehr als jede zweite ausländerfeindliche Gewalttat registriert wurde, macht Schily Sorge. "Die Kontinuität von zwei totalitären Systemen" habe offensichtlich zu viele Spuren hinterlassen. Was tun? "Es reicht nicht aus, nur Broschüren zu drucken", betonte der SPD-Politiker. Mehr Aufklärung tue Not, die nicht mit dem Schulbesuch enden dürfe. So eröffnete der SPD-Politiker mit der Vorlage des Berichts zugleich eine Wanderausstellung, die von den Verfassungsschützern zusammengestellt wurde. Unter dem Motto "Es betrifft Dich!" wirbt die Schau für mehr Bürgerengagement und offenes Eintreten gegen Extremismus und Rassismus. Am extremen linken Rand scheint sich die Lage dagegen etwas entspannt zu haben. Ende 1999 zählten die Verfassungsschützer etwa 34 200 Personen in der linksextremen Szene - 500 weniger als im Jahr zuvor. 7000 von ihnen werden als gewaltbereit eingeschätzt. Für die Weltausstellung Expo 2000 in Hannover rechnet das Amt mit Störungen von Autonomen, eine ernsthafte Bedrohung sieht es gleichwohl nicht. Unter den ausländischen Extremisten nimmt erneut die kurdische Arbeiterpartei PKK eine herausragende Stellung ein, die mit Gewaltaktionen nach der Festnahme ihres Anführers Abdullah Öcalan für Furore sorgte. Insgesamt wurden 59 700 ausländische Extremisten gezählt, davon 31 300 Islamisten, die zunehmend ihren Anhängern auch hier ein Leben nach dem islamischen Rechtssystem Scharia ermöglichen wollten. Auch die PDS erfuhr - allen Protesten zum Trotz - im Verfassungsschutzbericht wieder eine besondere Behandlung. Die SED-Nachfolgepartei halte am "Ziel der Systemüberwindung" fest und zeige keine ernsthaften Anzeichen dafür, ihr "zwiespältiges Verhältnis zum parlamentarischen System und zu wesentlichen Elementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung" zu klären. Immerhin ließ Schily wissen, dass nicht die gesamte Partei als als linksextremistisch eingestuft werde. (dpa/rtr/FR)
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