junge Welt 05.04.2000 Kommentar Akten-Coup nach besonderer Sicherheitslage? Berlins Innensenator Eckart Werthebach im Zwielicht Das Markenzeichen des Berliner Innensenators ist die Ausgewogenheit: Einerseits läßt er Nazis durchs Brandenburger Tor marschieren, andererseits möchte er dort Kundgebungen ganz verbieten und das Demonstrationsrecht generell überprüfen lassen. Wer das Gedenken an den Gräbern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verbieten läßt, fahndet folgerichtig nicht bemüht nach dem angeblichen Attentäter. Wenn in Berlin kurdische Demonstranten von israelischen Sicherheitsbeamten durchlöchert werden, dann hat Werthebach (60) von einer besonderen Sicherheitslage nichts gewußt. Am 12. November 1998 übernahm der promovierte Jurist das Berliner Innenressort von General Schönbohm. An die Stelle des Durchmarschs setzte Werthebach das Durchschleichen. Vor einem Menschenalter - 1971 - begann er im Bundesinnenministerium, diente sich hoch als Referent des Staatssekretärs, Mitglied der Anti-RAF-Krisenstäbe, Berater - also Diktierer und Bescheidgeber - der DDR- Regierungskommission zur Auflösung des MfS 1990, war von Februar 1991 bis Mitte 1995 Chef des Verfassungsschutzes und schließlich Staatssekretär bis zum Regierungswechsel 1998. Dossiers statt Artillerie, Gerüchte statt Knüppel - Werthebach, das ist nicht die Zerschlagung, sondern die Verleimung der Opposition. Am Montag meldete die »Berliner Zeitung«, daß er 1990 die Vernichtung von Abhörprotokollen des MfS besorgte. Werthebachs Antwort: Einerseits falsch, andererseits richtig. Da es nach 30 Jahren Schreibtisch- Schlapphut-Dasein im Westen nichts Neues für ihn gab, benötigte er die MfS-Protokolle nicht mehr - jedenfalls nicht alle. Außerdem werden die für die Stillegung des Ostens aufgehoben.
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