junge Welt 04.04.2000 Was haben Green Cards mit Asyl zu tun? jW fragte Karl Kopp, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl in Frankfurt/Main F: Bei der Debatte um Green Cards in der Bundesrepublik scheint das Problem der Asylpolitik ein wenig in den Hintergrund zu treten. Wie sehen Sie das? Wenn das Land bestimmte Arbeitskräfte benötigt und in der Folge eine zusätzliche Form der Einwanderung kreiert, dann wäre das kein Problem. Doch das Asylrecht wird in der Debatte um die Green Card einfach mit einer Fragestellung vermengt, die überhaupt nichts damit zu tun hat. Die konservativen Parteien nutzen diese Diskussion wieder, um dem Asylrecht völlig den Garaus zu machen. Das ist praktisch der zweite Anlauf innerhalb von einem halben Jahr. Nach dem EU-Sondergipfel in Tampere wurde durch den deutschen Innenminister Otto Schily eine Diskussion über die Abschaffung des verbliebenen Grundrechts auf Asyl initiiert. Schily argumentiert damit, daß Asyl-Grundrecht nicht EU- kompatibel sei. F: Auch der neue CDU-Fraktionschef Merz und der CSU-Vorsitzende Michael Glos wollen das Grundrecht auf Asyl abschaffen. Der neue CDU-Fraktionsvorsitzende hat ja quasi in Abwandlung des Strauß-Zitats gesagt, man müsse »aus dem Schatten von Auschwitz heraustreten«. Das trifft schon ein bißchen den politischen Zeitgeist. Aber abgesehen davon ist die Bundesrepublik mit ihrem - de facto sehr restriktiven - Asylrecht sehr wohl »EU-kompatibel«. In allen EU-Staaten gibt es ein Prüfungsverfahren. Wenn ein Flüchtling abgelehnt wird, kann er ein Gericht oder eine unabhängige Prüfungskommission anrufen. Da gibt es zu anderen Ländern der EU keinen großen Unterschied. Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit, das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen. Im Gegenteil: Grundgesetzschutz ist die beste Garantie, damit die Bundesrepublik ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen gerecht wird. In Tampere wurde beschlossen, europaweit ein Asylsystem einzuführen, das auf der uneingeschränkten und allumfassenden Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention basiert. Deutschland müßte jetzt seine restriktive Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention aufgeben und sich der Mehrheit der EU-Staaten anschließen, die sehr wohl Flüchtlinge aufgrund nichtstaatlicher Verfolgung schützt. F: In der Diskussion um Einwanderungsquoten zeichnet sich ab, daß auch Deutschland sie einführen wird. Welche negativen Folgen hat das für Flüchtlinge? Bei den Green-Card-Debatten geht es darum, dem deutschen Markt Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Bei Flüchtlingen ist es so, daß diese Menschen Schutz vor Verfolgung in einem sicheren Land suchen. Obwohl diese Sachverhalte in der öffentlichen Debatte vermengt werden, kann man das überhaupt nicht miteinander vergleichen. Man kann Asylrecht oder auch humanitäre Aspekte nicht quotieren. Das ist der zentrale Unterschied. Ich denke, es ist nicht ein Problem, wenn ein Staat sich ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht schafft oder wenn man einen rationalen Diskurs über Bestimmungen zur Zuwanderung führt, um diese Zuwanderung frühzeitig zu organisieren. Das alles hat aber nichts mit dem bestehenden Asylrecht zu tun. Unsere Position ist, daß in der Debatte um die Green Card, gerade vor dem Hintergrund politischer Auseinandersetzungen, Äpfel mit Birnen verglichen werden. Praktisch geht es darum, die im Grundgesetz festgelegten Rechte zu beseitigen. Interview: Klaus Fischer
|