Frankfurter Rundschau 05.04.2000 Wegen Kopftuchs aus dem Unterricht verwiesen Direktor einer Friedberger Gesamtschule sieht "Verstoß gegen unsere Werteordnung" / Schulaufsicht schritt ein Von Klaus Nissen Weil ein zwölfjähriges Mädchen mit Kopftuch in den Unterricht kam, schickte ein Schulleiter es nach Hause. Das Tuch sei ein "Verstoß gegen unsere Werteordnung", schrieb der Chef der integrierten Gesamtschule in Friedberg (Wetteraukreis) den Eltern. Die Schulaufsicht wies ihn an, das Mädchen vorläufig wieder in den Unterricht zu holen. Die Behörde sieht aber keinen Anlass, sich bei den Eltern zu entschuldigen. FRIEDBERG. Weil sie ein Kopftuch trägt, durfte die zwölfjährige Sima (Name geändert) seit Freitag nicht mehr in die Adolf-Reichwein-Schule. Direktor Bruno Kraft schrieb den Eltern: "Sollte Sima wieder mit Kopfbedeckung im Unterricht erscheinen, sehen wir dieses als Verstoß gegen unsere Werteordnung, als Ordnungswidrigkeit bezüglich des Umgangs miteinander an der Adolf-Reichwein-Schule und als fortgesetzte Störung des Betriebsfriedens und werden dies mit Ordnungsmitteln ahnden." Ein solcher Vorfall ist in Deutschland bisher nicht bekannt geworden. Französische Schuldirektoren warfen 1994 zahlreiche voll verschleierte Schülerinnen aus dem Unterricht. Gerichte machten dies rückgängig; in Nancy mußte der Staat 1996 sogar Schadenersatz zahlen. Der Brief des Friedberger Schulleiters regt Simas Vater auf; er fühlt sich und seine Familie diffamiert. Mit Recep Kaplan vom Wetterauer Ausländerbeirat beschwerte er sich am Montag beim Staatlichen Schulamt. Kaplan: "Es gibt kein Gesetz, das das Kopftuch-Tragen an Schulen verbietet." Dies bestätigt Alexander Jehn vom Kultusministerim in Wiesbaden. Es sei klar, dass der Ausschluss vom Unterricht "keinen Bestand hat". Gestern wies das Staatliche Schulamt die Reichwein-Schule an, Sima wieder zu unterrichten. Aber nur vorläufig. Schulleiter Kraft habe die Gründe für den Unterrichtsverweis "noch nicht in der erforderlichen Weise dokumentiert", sagte Amtsjurist Wolfgang Rosenthal. Gerechtfertigt wäre der Ausschluss, wenn das Kopftuch des Mädchens "Reaktionen von anderen Schülern hervorruft und ganz massive Unterrichtsprobleme bewirkt". Ob das so ist, müsse Schulleiter Kraft möglichst schnell prüfen. Die Schulaufsicht könne sich selbst "vom grünen Tisch aus" kein Bild machen, so Rosenthal. Die Schule habe keinen Anlass, sich für den Unterrichts-Ausschluss zu entschuldigen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Eltern beleidigt sein könnten." Die Mehrheit der 40 Lehrkräfte sei nach wie vor gegen das Kopftuch-Tragen im Unterricht, sagte gestern der Vize-Schulleiter Klaus Duda. Es sei sogar in der Türkei verboten. An der Adolf-Reichwein-Schule dürfe in den Klassenräumen niemand seinen Kopf bedecken. Wenn für das Mädchen Sima eine Ausnahme gemacht werde, sei das "ein In-Frage-Stellen unserer Ordnung." Außer Sima trage keins der rund 60 islamischen Kinder eine Kopfbedeckung wärend des Unterrichts.
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