Der Spiegel 6.4.2000 Demirel kann nicht wieder antreten Die türkische Regierung hat eine schwere Niederlage einstecken müssen. Das Parlament hat sich gegen eine zweite Amtszeit von Staatspräsident Demirel entschieden. Dazu wäre eine Verfassungsänderung nötig gewesen. Istanbul/Ankara - Für Ministerpräsident Bülent Ecevit und seine Koalitionspartner, die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) und die Mutterlandspartei (Anap), ist das Ergebnis eine schwere Schlappe. Obwohl 406 Abgeordnete die Vorschläge unterzeichnet hatten und die Koalition 350 stimmberechtigte Abgeordnete hat, stimmten zahlreiche Parlamentarier nicht für die Reform. Nach einer eilig einberufenen Sitzung mit MHP-Chef Devlet Bahceli und Anap-Chef Mesut Yilmaz betonte Ecevit jedoch, dass die Regierung ihre Arbeit entschlossen fortsetzen werde. "Wir respektieren die Entscheidung des Parlaments", sagte Ecevit. In Ankara geht nun die Suche nach einem Nachfolger für Staatspräsident Süleyman Demirel los, dessen Amtszeit Mitte Mai endet. Bereits in wenigen Tagen beginnt die Nominierung der Kandidaten. Als mögliche Bewerber waren in den vergangenen Tagen unter anderem Außenminister Ismail Cem, Parlamentspräsident Yildirim Akbulut, Justizminister Hikmet Sami Türk und Verteidigungsminister Sabahattin Cakmakoglu im Gespräch. Die Regierung hatte bereits bei der ersten Abstimmung über die Verfassungsänderung in der vergangenen Woche eine Niederlage erlitten. Ecevit betrachtet Demirel als stabilisierenden Faktor. Die siebenjährige Amtszeit ohne Wiederwahlmöglichkeit sollte durch zwei fünfjährige Amtszeiten ersetzt werden. Das Nein des Parlaments steht im Einklang mit dem Ergebnis einer Meinungsumfrage: Nach einer von der Zeitung "Radikal" veröffentlichten Umfrage in Istanbul, Ankara und Izmir will eine Mehrheit der Türken Demirel nicht erneut als Staatspräsident haben. 69,7 Prozent der insgesamt 1048 Befragten sprachen sich gegen eine zweite Amtszeit Demirels aus. Gleichzeitig befürworteten 61,5 Prozent der Befragten eine Fortsetzung der Regierungskoalition. Auf die Frage, wer nach dem Scheitern der Verfassungsänderung neuer Präsident werden sollte, nannten 21,6 Prozent Außenminister Cem. |