Frankfurter Rundschau, 7.4.2000 Länder wollen Messlatte für Ausländer höher legen Rot-Grün wird Verschärfung des Staatsbürgerschaftsrechts wohl nicht verhindern können Von Vera Gaserow Das neue Staatsbürgerschaftsrecht wird womöglich auf Dauer von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt werden. Weil eine Mehrheit im Bundesrat auf Restriktionen bei den Verwaltungsvorschriften drängt, erwägt die Bundesregierung derzeit, auf eine bundeseinheitliche Regelung lieber ganz zu verzichten. BERLIN, 6. April. Eigentlich glaubte das Bundesinnenministerium, mit den Unions-Ländern einen Kompromiss über die Verwaltungsvorschriften gefunden zu haben. Schließlich hatte man für das Zustandekommen einer einheitlichen Regelung deutliche Zugeständnisse gemacht. So sollten die unionsregierten Länder die Sprachtests für die Einbürgerungsanwärter nach eigenem Ermessen gestalten können und auch eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz sollte nicht ausgeschlossen sein. Doch für die am heutigen Freitag geplante abschließende Beratung der Verwaltungsvorschriften liegen dem Bundesrat nun 92 Änderungsanträge der Länder vor. Dessen Ausschüsse haben sie bereits mehrheitlich gebilligt. Die Anträge sehen überwiegend restriktivere Auslegungen des Staatsbürgerschaftsrechts vor als von Rot-Grün ausgehandelt. So steht etwa im Regierungsentwurf, dass in Deutschland aufgewachsene Jugendliche ihre alte Staatsbürgerschaft nicht aufgeben müssen, wenn sie dafür eigens noch im Herkunftsland den Wehrdienst ableisten müssen. Die Bundesländer wollen aus dieser Ist-Bestimmung zur Hinnahme der Mehrstaatlichkeit nun eine Ermessensentscheidung der Einwanderungsbehörden machen. Auch die Klausel, dass der Doppelpass hingenommen wird, wenn Einbürgerungswillige bei der Aufgabe ihrer alten Staatsbürgerschaft gravierende wirtschaftliche Nachteile zu befürchten haben, wollen die Länder verschärfen: Die Messlatte, was als wirtschaftlicher Nachteil gilt, soll deutlich höher gelegt werden. Rot-grün regierte Länder wie Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wollen restriktivere Verwaltungsvorschriften ablehnen, werden dafür aber keine Mehrheit finden. Wenn der Bundesrat die Verschärfungen einarbeitet, muss das Kabinett erneut darüber beraten. Die Grünen, verärgert auch über eine ungeschickte Verhandlungsstrategie des Bundesinnenministeriums, haben bereits verdeutlicht, dass ihre Minister den verschärften Verwaltungsvorschriften nicht zustimmen werden. In der rot-grünen Regierung wird deshalb erwogen, lieber ganz auf eine bundeseinheitliche Regelung zu verzichten. Das neue Staatsbürgerschaftsrecht würde dann zwar - je nach Regierungscouleur - in München, Hannover oder Köln unterschiedlich umgesetzt. Die rot oder rot-grün regierten Länder würden aber einen Spielraum zur großzügigeren Anwendung behalten. |