Die Presse (Wien) 08.04.2000 Kurdischer Name, türkische Ausnahme Ein Berufungsgericht in der Türkei erlaubte zum ersten Mal, einem Kind einen kurdischen Namen zu geben. Von unserem Mitarbeiter JAN KEETMAN ISTANBUL. Erstmalig hat ein Gericht in der Türkei einem kurdischen Vater das Recht zuerkannt, seiner Tochter einen kurdischen Namen zu geben. Der Kurde aus der Gegend von Bitlis war bei dem Versuch, seine kleine Tochter Mizgin ("frohe Botschaft") zu nennen, von den Behörden zunächst abgewiesen worden. Hatice sollte das Kind heißen. Ein Amtsgericht gab den Behörden vorerst recht und argumentierte: Einen Namen "Mizgin" gebe es im Türkischen nicht, er passe nicht zur nationalen Kultur, zu Sitten und Gebräuchen. Er beleidige das öffentliche Gewissen. Ganz einleuchten wollte diese Argumentation nicht, denn schließlich ist der dem kleinen Mädchen vorgeschriebene Name "Hatice", wie viele türkische Namen, arabischen Ursprungs. Auch der Sinn des Namens konnte es nicht sein: der aus dem Persischen entlehnte Name Müjde ist mit Mizgin gleichbedeutend, aber erlaubt. Das Problem lag, wenn auch unausgesprochen, im kurdischen Ursprung des Namens. Es darf kein "W" geben Mit der gleichen Logik hatte erst vor kurzem ein Gericht eine Newroz-Feier in Istanbul mit dem Argument verboten, daß türkische Wörter kein "W" enthielten. In der Türkei darf also, wenn überhaupt, nur ein Fest "Nevruz" gefeiert werden. Doch der kurdische Vater gab nicht auf, und das Berufungsgericht gab ihm mit knapper Mehrheit sogar recht. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, daß der Name zur persönlichen Ehre gehöre und Wahlfreiheit bestehe. Diese Wahlfreiheit gehöre zu den von der Verfassung geschützten Freiheiten und Rechten. Regionale Mundart Die Entscheidung ist ein Grundsatzurteil, auf das sich auch andere Eltern beziehen können - eine frohe Botschaft für alle, die ihren Kindern kurdische Namen geben wollen. Allerdings darf man es wohl auch weiter nicht zu laut sagen, daß die Namen kurdischen Ursprungs sind. Der Urteilstext vermeidet es nämlich sorgsam, ein Recht auf den Gebrauch kurdischer Namen ausdrücklich anzuerkennen, und spricht statt dessen etwas gezwungen von "regionaler Mundart". |