dpa, 8.4.2000 Staatsbesuch in der Türkei beendet Rau: EU-Mitgliedschaft der Türkei kommt nicht automatisch Istanbul (dpa) - Zum Abschluss seines dreitägigen Staatsbesuches hat Bundespräsident Johannes Rau die Türkei erneut aufgefordert, die ökonomischen und politischen Voraussetzungen für einen Beitritt zur Europäischen Union (EU) zu schaffen. Nach der Zuerkennung des Kandidatenstatus' komme die Vollmitgliedschaft nicht automatisch, sagte Rau am Samstag bei einem Mittagessen mit der Deutsch-Türkischen Handelskammer in Istanbul. Eine Reihe von Gesetzen habe die Türkei bereits auf den Weg gebracht. "Vieles, gerade auch bei der Umsetzung, bleibt noch zu tun." Nach seinem Besuch habe er jedoch den Eindruck, dass die Türkei die weitere Annäherung an die Europäische Union kraftvoll vorantreiben wolle, sagte Rau. Niemand solle die These vom Zusammenprall der Kulturen als Vorwand benutzen, um die Türkei aus Europa auszugrenzen, mahnte Rau die Gegner eines EU-Beitritts der Türkei. Die EU "ist eine säkulare Wertegemeinschaft, die Religionsfreiheit ist eines ihrer Elemente". Am Samstagvormittag war Rau mit dem Ökumenischen Partriarchen Bartholomäus zusammengetroffen. Dabei ging es auch um den von Rau unterstützten Dialog der Weltreligionen. Rau setzte sich, wie zuvor schon bei seinen Gesprächen in Ankara, dafür ein, die Anfang der 70er im Zuge der Zypern-Krise geschlossene griechisch-orthodoxe Predigerschule wieder zu eröffnen. Dies sei wichtig auch für die Türkei. Davor hatte Rau mit Verlegern türkischer Zeitungen gesprochen, die in Deutschland erscheinen. Wie es aus Delegationskreisen hieß, sei es ein offenes Gespräch gewesen, bei dem auch Rolle der Zeitungen bei der Integration der Türken in Deutschland erörtert wurde. Zu der Überlegung, den Zeitungen deutsche Seiten beizulegen, sagte Rau, dann wäre er der erste Leser. Bei Essen mit den Kammervertretern rief der Bundespräsident die türkische Wirtschaft auf, in Deutschland zu investieren. "Gerade die neuen Bundesländer sind attraktive Standorte, die zusammen mit den bestehenden Förderungsmöglichkeiten hervorragende Voraussetzungen für eine Niederlassung bei uns bieten." Ein wichtiger Markstein der bilateralen Zusammenarbeit sei die Kooperation bei Großprojekten. Hier hätten türkische und deutsche Unternehmer bereits vielfältige gemeinsame Aktivitäten gefunden. Deutschland sei stolz darauf, größter Handelspartner der Türkei zu sein, sagte Rau vor den Wirtschaftsvertretern. Der Vizepräsident der Deutsch-Türkischen Handelskammer, Arnold Hornfeld, betonte, dass die deutsche Wirtschaft in der Türkei tiefe Wurzeln habe. Sie gehöre zu den Pionieren der modernen türkischen Industrie. |