Stuttgarter Zeitung 10.4.2000 Ecevit räumt Defizite ein Rau konfrontiert türkischen Premier mit Menschenrechten ISTANBUL. Auch am letzten Tag seiner Türkeireise hat Bundespräsident Rau sein Hauptanliegen deutlich gemacht: Die Menschenrechtssituation in dem Land müsse verbessert werden. Von Gerd Höhler Bundespräsident Johannes Rau hat sich vor seiner Abreise am Freitag in Ankara mit Vertretern verschiedener Menschenrechtsgruppen getroffen. Ort der Begegnung war die Deutsche Botschaft. Mit der bewusst breit publizierten Einladung an die türkischen Menschenrechtler wollte der Bundespräsident nach eigenen Worten ein Zeichen setzen: ¸¸Die türkische Regierung soll wissen, auf welcher Seite die Deutschen stehen''. Einer der prominentesten türkischen Bürgerrechtler, Akin Birdal, wurde zehn Tage vor dem geplanten Treffen mit Rau in Haft genommen. Sein Missfallen darüber hat Rau in Gesprächen mit Staatspräsident Süleyman Demirel und Regierungschef Bülent Ecevit so nachdrücklich geäußert, wie das nur ein Staatsoberhaupt tun kann. Dass der Bundespräsident Birdals Inhaftierung als Brüskierung empfinden musste, scheint inzwischen zumindest Ecevit klar zu sein. Der Premier, so wird jedenfalls in Delegationskreisen berichtet, habe sich sichtlich zerknirscht gezeigt und erkennen lassen, dass die Inhaftierung Birdals eine ¸¸bedauerliche'' Justizangelegenheit sei und kein gewollter Affront. Um seine Sensibilität in Menschenrechtsfragen zu demonstrieren, kam Ecevit dann auch noch Rau zuvor und brachte von sich aus den Fall der inhaftierten Kurdenpolitikerin Leyla Zana zur Sprache. ¸¸Bedauerlich'' sei es, dass die Kurdin immer noch hinter Gittern sitze, soll Ecevit gesagt haben. Zana wurde Ende 1994 wegen ¸¸Hochverrats'' zu 15 Jahren Haft verurteilt. Deutlich wurde: zumindest Ecevit möchte Fälle wie Birdal und Zana möglichst rasch ad acta legen, um sich Vorhaltungen, wie sie ihm jetzt der Bundespräsident machte, künftig zu ersparen. Die Menschenrechtsproblematik war das zentrale Thema des Rau-Besuchs in der Türkei. Dass diese Fragen zwischen beiden Ländern in Zukunft immer häufiger zur Sprache kommen werden, ¸¸können und wollen wir den Türken nicht ersparen'', sagt ein deutscher Diplomat. ¸¸Sie müssen wissen, dass es ohne Aufarbeitung der Menschenrechtsdefizite keine Annäherung an die EU geben wird''. Unter anderem nahm der Bundespräsident eine Liste von rund 25 Punkten mit, die notwendige Gesetzesänderungen betreffen. |