Die Welt, 13.4.2000 Iranischen Juden droht die Todesstrafe Anklage wegen Spionage für Israel und die USA Von Dietrich Alexander Berlin - Ein Prozess wird erneut zum Testfall für die Reformfähigkeit des Iran: 13 iranische Juden - darunter drei Rabbiner - sowie zwei Moslems stehen von heute an wegen Spionage für Israel und die USA vor Gericht. Die Anklage wurde im Juni vergangenen Jahres erhoben - offenbar drei Monate, nachdem die Beschuldigten in der südiranischen Stadt Schiraz festgenommen worden waren. Erst als Verhandlungen hinter den Kulissen zwischen Vertretern der jüdischen Gemeinde im Iran und der Justiz gescheitert waren, wurde der Fall publik gemacht. Internationale Menschenrechtsorganisationen, die UNO, der Papst sowie mehrere Regierungen, darunter auch die deutsche, haben inzwischen heftig protestiert. Der Europäische Jüdische Kongress in Paris, politischer Dachverband von 38 jüdischen Gemeinden in Europa, fordert "ein faires und gerechtes Verfahren in Anwesenheit internationaler Beobachter". Der Iran betrachtet diese Sache als eine innere Angelegenheit und reagiert gereizt auf jeden Versuch der Einflussnahme von außen. Es gehe um die nationale Sicherheit, heißt es in Teheran. Die Angeklagten hätten im Namen des "Zionismus und der Weltrarroganz" spioniert. Beweise - Fehlanzeige. Dafür ein diffuses Bündel von Beschuldigungen, die von "Propaganda gegen den Islam" über den Verstoß der Geschlechtertrennung in Schulklassen bis zu Spionage reichen - und darauf steht im Iran die Todesstrafe. Zuletzt wurden 1997 zwei Iraner dafür hingerichtet. Da die iranischen Juden zumeist Verwandte in Israel und den USA haben, findet naturgemäß ein reger Briefwechsel statt. Iranische Juden, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder zum Studium nach Israel. Auch können sie über den Umweg Zypern nach Israel reisen. Aus all dem lässt sich bequem eine "Spionagetätigkeit" konstruieren, wenn man es nur will. Die Vermutung liegt nahe, dass - wie schon im Fall des Hamburger Kaufmannes Helmut Hofer - erneut Unbeteiligte in den Machtkampf zwischen den iranischen Reformkräften um Präsident Mohammed Chatami und den rechten Konservativen um Religionsführer Ali Chamenei geraten sind. Im Iran leben etwa 30 000 Staatsbürger jüdischen Glaubens, eine der größten jüdischen Gemeinden in der islamischen Welt. Nach Auskunft der jüdischen Gemeinde in Teheran sind Juden im Iran seit etwa 2500 Jahren ansässig. Nach der Eroberung des Landes durch die Moslems im 7. Jahrhundert und der damit einhergehenden Islamisierung galten Juden genauso wie Christen als "Schutzbefohlene" (Dhimmi). Sie wurden als "Leute des Buches" (ahl al Kitab), also Anhänger einer monotheistischen Buchreligion wie der Islam selbst, respektiert. Mit Zahlung einer "Kopfsteuer" an die islamischen Machthaber konnten sie ihr Leben frei gestalten und ihrer Religion nachgehen. Als 1948 der Staat Israel gegründet wurde, ging der damalige iranische Herrscher, Schah Mohammad Resa Pahlawi, auf Distanz zu seinen jüdischen Landsleuten. Zu einem Massenexodus aber kam es nicht. Erst mit der islamischen Revolution durch Ayatollah Chomeini 1979 verließen immer mehr Juden das Land. Seither sind etwa 50 000 Juden ausgewandert. Das Verhältnis zwischen dem Iran und Israel ist nicht unproblematisch. Doch es gab auch Kontakte liberaler israelischer Rabbiner zu moderaten iranischen Geistlichen, um über ein gemeinsames Problem zu debattieren: Den religiösen Fanatismus. Und es gab Beziehungen der unsauberen Art, etwa als Israel im ersten Golfkrieg zwischen Iran und Irak Panzerabwehrraketen an Teheran lieferte. Das war 1985 und ging als "Irangate" in die Geschichte ein. Dieser Prozess hat das Potenzial, den Iran wieder in die Isolation zu führen, sollten die Angeklagten schuldig gesprochen werden. Er bürge als Präsident für die Rechte und den Schutz der Minderheiten, hat Chatami gesagt. Zwar hat er keine Gewalt über die Justiz, doch man wird ihn trotzdem an seinen Worten messen. |