Tagblatt (CH), 15.4.2000 «Weder Türke noch Grieche» Präsidentschaftswahlen in der türkischen Republik Nordzypern In der international nicht anerkannten türkischen Republik Nordzypern finden heute Präsidentschaftswahlen statt. Jan Keetman/Lefkosa Indirekt entscheiden die Türkisch-Zyprioten auch über die künftigen Beziehungen zwischen Athen und Ankara mit. Zypern ist seit 1974 in ein griechisches und ein türkisches Einflussgebiet geteilt. Die (griechische) Republik Zypern will auf der Insel eine Föderation mit zwei Bundesstaaten und einer Zentralregierung errichten, die als Einheit in die EU eintreten soll. Der zur Wiederwahl stehende amtierende Präsident des türkischen Inselteils, Rauf Denktasch, will zwei unabhängige Staaten, die einen losen Bund eingehen. Einen EU-Beitritt der Türkisch-Zyprioten knüpft er an den Beitritt der Türkei. Im Wahlkampf war Denktasch fast immer mit der Vergangenheit beschäftigt, mit dem «Unrecht, das die Griechen den Türken angetan haben». Dies wirkt vor allem auf die aus Anatolien zugewanderten Bauern. Unter den eingesessenen Türkisch-Zyprioten kann man auch andere Meinungen zur Geschichte der Insel und zur Rolle der Türkei hören. Nur zum Schein unabhängig Izzet Izcan von der Bewegung Patriotische Einheit (YBH), kritisiert Denktasch und die Türkei. «Wir sollen ein unabhängiger Staat sein, aber die Türkei kontrolliert unsere Polizei, ihre Offiziere kommandieren unsere Armee, wir haben die türkische Währung. Izcan sagt, Denktasch werde die Wahlen mit Hilfe der Türkei gewinnen. Dem widerspricht der Journalist Sener Levent von der Zeitung «Avrupa» (Europa). «Dies ist die erste Wahl auf Zypern, in die sich die Türkei nicht einmischt, Denktasch hat die Unterstützung der Türkei verloren.» Türkische Widersprüche Der Verleger Remzi Yektaoglu glaubt nicht an die Neutralität Ankaras. Er wirft der Türkei vor, in der Zypernfrage eine ganz andere Politik zu verfolgen als sonst. «In Aserbaidschan ist die Türkei gegen eine Abtrennung von Berg Karabach, im eigenen Land wollen sie den Kurden keine Autonomie zugestehen, aber in Zypern ist die Türkei für zwei Staaten.» Yektaoglu bezeichnet sich nicht als Zypern-Türke, sondern einfach als Zypriot: «Ich bin weder Türke noch Grieche, solche Unterscheidungen haben keinen Sinn.» Regierungspartei gespalten Niemand weiss, wie die Wahlen ausgehen. Die von Denktasch gegründete, regierende Partei der nationalen Einheit (UBP), unterstützt einen anderen Kandidaten, Dervisch Eroglu. Dafür gibt es kaum inhaltliche Gründe, es geht um Denktaschs autoritären Führungsstil. Zur Wahl stehen sechs weitere Kandidaten, vom Sozialdemokraten Mustafa Akinci, bis zu Arif Hasan Tahsin Desem von der YBH, die alle mehr oder weniger Abstand zur Türkei halten. |